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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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machen?«
    »Das ist nicht die richtige erste Frage. Als erstes mußt du mich fragen …«
    »Hör auf, Alicia, das ist …«
    »Halt meine Hand, bitte. Bitte!«
    Das jetzt folgende Schweigen war im Gegensatz zu den beiden vorigen Malen weder entnervend noch beruhigend. Es schien eine eigene Stimme zu haben, die uns unaufhörlich daran erinnerte, daß es das Schweigen sei.
    »Wie bin ich so ganz zufällig auf die Straße vor dem L’Etre geraten?« Sie drückte meine Hand, ein Signal. »Los, frag mich das.«
    »Nein, ich werde dies Spiel nicht …«
    »Okay, frag es nicht. Die Antwort ist: Ich war dorthin geschickt worden. Ich nehme an, sie schickten mich, weil sie Angst vor dir hatten. Ich weiß nicht, warum, es war einfach ein Befehl. Nimm zur Kenntnis, daß ich dir die Antworten gebe, ohne auch nur Fragen zu formulieren.«
    Ich versuchte, sie wieder an mich zu ziehen, sie fester in die Arme zu nehmen. Sie zog sich weiter zurück. Eine Lampe oder eine Leitung im Gebäude versagte. Woran es auch gelegen haben mag, das Licht begann quälend zu flackern und rief auf der gegenüberliegenden Wand eine Kombination von harten Schatten und metallischem Glitzern hervor. Alicia wartete, bis das Flackern aufgehört hatte. Dann begann sie von neuem: »Tatsache ist, daß ich nicht wußte, du würdest dort sein, bis ich dich das Haus zusammen mit Pierre verlassen sah. Man hatte mir nur gesagt, ich solle mich an diesen Ort begeben und entweder mit Madling Kontakt aufnehmen oder ihm einfach folgen. Die Gegend sei für die meisten ihrer regulären Leute zu gefährlich, lautete ihr Vorwand. Sie hätten in diesem Viertel schon zu viele Überfälle ausgeführt und könnten entdeckt werden. Ich hielt alles für Routine. Routine? fragst du. Jawohl. Weißt du, es ist nicht ungewöhnlich, das Opfer auf diese Art in die Falle zu locken. Eine hübsche junge Dame wie ich lenkt einen schwierigen Kunden ab, führt ihn an einen Ort, wo er verwundbarer ist, malt ihm sozusagen eine Zielscheibe auf den Rücken, verwirrt ihn – warum sagst du denn gar nichts?«
    Sie zog ihre Hand aus meiner und rückte noch ein paar Zoll von mir ab. Ich faßte nach ihr, aber sie wandte sich halb zur Seite, zog die Knie dicht unter das Kinn und legte die Arme darum.
    »Mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte.«
    »Gottverdammt, Voss, das ist keine Scheiß-Übung! Das ist nicht irgendein Ritual, durch das ich dich führe.«
    »Das weiß ich. Du darfst nur nicht von mir erwarten, daß ich in der Weise antworte, wie du es geplant hast. Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Es gibt gar keinen Grund dafür, daß du mir das alles erzählst, du solltest …«
    »Keinen Grund? Bist du wahnsinnig? Glaubst du, du kannst in einen Kokon kriechen und dich nicht darum kümmern, was – oder vielleicht, vielleicht sollten wir beide in diese kostbare Enklave zurückkehren, von der du so liebevoll sprichst, vielleicht könnten wir alle drei, du und ich und – wie war ihr Name? – Serena zusammen …«
    »Selena.«
    »Gut. Selena. Se-le-na. Wir drei könnten zusammen in einer Folterkammer mit ringsherum schwarz angestrichenem Glas leben und unsere Arbeit tun – zum Wohle der Enklave und, wenn wir Glück haben, zum Wohle der Gesellschaft. Dann wären wir vor allen äußeren Störungen geschützt. Das würde dir gefallen, wie?«
    »Nein. Sieh mal, Alicia, ich weiß, du fühlst dich schuldig, und aus einem gewissen Drang zur Läuterung …«
    »Das ist gut. Drang zur Läuterung. Genau davon bin ich besessen. Eine gute Überschrift für ein Kapitel meiner Autobiographie. Ein Drang zur Läuterung. Sieh mich nicht so an. Ich habe einen Drang zur Läuterung, und deshalb will ich mich lächerlich machen. Wenn ich mich verdoppeln könnte und eine Peitsche hätte, dann …«
    »Okay, beruhige dich. Ich wollte doch nicht …«
    »Schon gut, tut mir leid. Aber in einem irrst du dich. Ich fühlte mich nicht eigentlich schuldig, ich …«
    »Alicia, Pierre ist ermordet worden, und du …«
    »Und ich hatte etwas damit zu tun. Du kapierst es allmählich. Langsam wie gewöhnlich, aber immerhin. Ich bin – wie nennt man das? – ein Beihelfer. Das ist keine große Sache. Ich bin früher schon Beihelfer gewesen.«
    »Das tust du also, wenn du verschwunden bist. Ich dachte …«
    »Nein, verdammt noch mal, das tue ich nicht, wenn ich verschwunden bin. Jedenfalls nicht oft. Ich habe auch einen legitimen Beruf, wie du dich erinnern wirst. Außerdem traut man mir nicht ganz, ich bekomme

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