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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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legen.
    »Unser beiderseitiges Schweigen ist entnervend. Mir gefällt das nicht. Wir sollten reden, quasseln, uns lieben. Entschuldige letzteres, immer noch etwas bitter.«
    »Kein Grund, sich …«
    »Wir bewahren Abstand. Räumlich meine ich. Sonst auch, wie ich annehme. Vielleicht müssen wir das. Das habe ich geglaubt, bis ich dich wiedersah. Ich meine, mir war bewußt, daß du mir fehltest, aber mir war nicht bewußt, daß ich mir wünschte, dich wiederzusehen.«
    »Ich wollte dich wiedersehen. Ich habe dich gesucht.«
    »Ich weiß. Ich bin von den meisten deiner Bemühungen unterrichtet. Du bemühst dich nicht genug.«
    »Was soll ich denn noch …«
    »Ich weiß es nicht. Rosen schicken, in Eingängen versteckt warten, Söldner anheuern. Zum Teufel, woher soll ich es wissen? Als ich dich heute auf der Straße wiedersah, war ich so glücklich, daß ich – nein, darüber sollte ich nicht sprechen.«
    Sie strich die Falten glatt und begann mit einem neuen Muster. Die andere Hand kam aus der Tasche zum Vorschein, fand aber keine Beschäftigung. Sie kehrte in die Tasche zurück wie ein Mensch, der Schatten sucht. Alicia sah mich zum ersten Mal, seit sie sich niedergesetzt hatte, gerade an und fragte: »Wie kannst du so ruhig sein?«
    »Ich glaube nicht, daß ich ruhig bin.«
    »Du glaubst es nicht. Großartig. Was ich – nein, ruhig ist nicht das richtige Wort. Losgelöst. Das ist das Wort, losgelöst. Deine Stimme hat sich von deinem Körper getrennt und spricht von einem Punkt etwa zwei Fuß über deinem Kopf. Gerade oberhalb deines Halo. In der Mitte deiner Aura. Warum sagst du nicht, ich solle damit aufhören, und kommst her und nimmst mich in die Arme?«
    Ich kam beiden Forderungen nach. Wir saßen einige Zeit zusammen auf der Couch, mein Arm lag um ihre Schultern, und das Schweigen, das zwischen uns herrschte, war nicht entnervend.
    »Weißt du was?« fragte Alicia schließlich.
    »Was denn?«
    »Ich fühle mich als Frau. Ich meine hier, so. Ich habe immer geglaubt, ich würde es hassen, mich als Frau zu fühlen. Vielleicht ist doch etwas dran an den fundamentalen Ideen. An diesem Mann-Weib-Zeug. Ich würde gern ins 18. Jahrhundert zurückwandern, Reifröcke tragen, Gartenwege entlanglaufen und …«
    »Ich glaube, Reifröcke trug man im 19. Jahrhundert.«
    »Verdirb es mir nicht. Ich rede von der romantischen Liebe. Dafür wären wir eine großartige Kombination. Wir brauchten uns niemals Sorgen über deine Fähigkeiten oder deinen Mangel daran zu machen. Entschuldige. Ich vergesse dauernd, daß du darin empfindlich bist.«
    »Bin ich gar nicht.«
    »Richtig, das ist entschieden ein Problem. Ich habe dir gesagt, du sollst mich zum Schweigen bringen. Küß mich, das kannst du doch.«
    »Das scheint eine harmlose Rache zu sein.«
    Nach dem Kuß meinte Alicia: »Ich habe die Augen geschlossen und dich in Spitzenärmeln und hochgeschlagenem Kragen gesehen und mich im Reifrock.«
    »Es gibt Einrichtungen, wo man Geschichte spielen kann.«
    »Das ist nicht dasselbe. Sie sind für die echten Eskapisten. Ich kann nur eine kurzfristige Flucht akzeptieren. Flüchtige Träume. Ohne die harte Realität könnte ich nicht leben.«
    »Tatsächlich?«
    »Je härter, desto besser.«
    »Und darum liebst du mich.«
    Sie pfiff.
    »Das ging mitten durchs Herz. Vielleicht liebe ich dich, weil du so sehr wie ich bist. Wenn ich dich nur erwürgen und in ein Fensterbild von den Alpen werfen könnte!«
    Wieder herrschte Schweigen. Wieder fing Alicia an, Falten in ihr Kleid zu legen.
    »Ich warte darauf, daß du mir spezifische Fragen stellst«, erklärte sie plötzlich.
    »Über was?«
    Sie zog sich ein bißchen von mir zurück. Sie war immer noch in meinen Armen, aber es gab mehr Punkte, die sich nicht mehr berührten.
    »Vielleicht weißt du die Fragen nicht. Vielleicht denkst du sie nicht.«
    »Offenbar nicht.«
    »Dann sollten wir es dabei lassen.«
    »Gut.«
    »Unglücklicherweise können wir es nicht. Ich werde die Fragen hören, ob du sie mir stellst oder nicht. Ich sollte dich in dem Katechismus unterweisen.«
    »Warum entspannst du dich nicht einfach? Laß die Pille wirken, ruh dich aus.«
    »Das ist es ja gerade. Ich kann mich nicht entspannen. Immerzu höre ich, daß du mir Vorwürfe machst – es ist ein Sprung in die Zukunft dieser Unterhaltung, aber ich kann es hören. Ich muß diesen Punkt in der Zukunft erreichen, muß ihn hinter mich bringen.«
    »Warum, um alles in der Welt, sollte ich dir Vorwürfe

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