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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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organisiert, so eine Art sorgfältig programmierter Unordnung. Das ganze Gebiet ist neu aufgebaut. Es lag jahrzehntelang in Trümmern, nachdem der große Brand es zerstört hatte und der Befehl erging, es lieber liegenzulassen, wie es war, als nur das Getto wiederherzustellen. Das Endergebnis war, daß das Getto nach Cleveland Heights verlegt wurde. Hough nennt sich jetzt Vergnügungsviertel, und es ist Klasse. Gefährlich, aber Klasse.«
    »Warum gefährlich?«
    »Nun, regelmäßig kommt es dort zu einem gewissen Maß an Gewalttätigkeit. Die Ausgemusterten sehen das Viertel als eine Art symbolischen Hafens an, und manchmal gefällt es ihnen, ein bißchen Ärger zu stiften, um die Glücklicheren zu strafen. Es liegt dort eine Menge Bitterkeit und Groll in der Luft, wenn man weiß, wo man danach suchen soll. Aber wer sich um nichts weiter als sein eigenes Vergnügen und Verlangen kümmert, dem geschieht nichts. Auch sind viele Polizisten da, und …«
    »Erzähl mir bloß nicht, alle diese gemeinen Gesetze seien wiederaufgelebt, die gegen Prostitution und Trinken und Spielen und Doping und …«
    »Erspare mir die Aufzählung deiner Lieblingsbeschäftigungen. Nein, dort gibt es keine besonderen Verbote. Aber es werden viele Ausgemusterte versteckt, die versuchen, ihr Leben zu verlängern, und es gibt einen Markt für Dinge, die ihnen weiterhelfen, zum Beispiel falsche Papiere und gefälschte Todesurkunden und dergleichen mehr. Die Polizisten werden dich nicht belästigen, sobald sie merken, daß du in Ordnung bist. Wenn du hingehst, nimm dich in acht, das ist alles. Im Grunde geht es dort nicht anders zu als in den Vergnügungsvierteln aller Zeiten.«
    Nach dem Dinner wurde ich unruhig. Ich wollte fort, wollte mein neues Leben anfangen. Aber Ben hatte mir soviel auseinanderzusetzen, daß ich auf das Spiel mit dem Kaffee (echt) und der Zigarre (Kohlblätter) nach dem Essen einging.
    Schließlich machte sich sein Alter doch bemerkbar, und wir entflohen dem Restaurant gerade in dem Augenblick, als etwas in dem Fenster versagte. Die Farbe verschwand, und die Gäste konnten einen ausführlichen Blick auf den wirklichen Erie-See werfen, bis ein Kellner einen Vorhang vorzog.
    Ich brachte Ben nach Hause; er wohnte nicht weit entfernt.
    Die Straßen leerten sich, da die Menschen sich beeilten, vor Losbrechen eines programmierten Dämmerungsregens unter Dach und Fach zu kommen. Ich wollte gern im Regen Spazierengehen, und Ben hatte nichts dagegen. Angenehm feucht erreichten wir sein Domizil. Er bot mir einen Drink zum Trockenwerden an, aber mir stand der Sinn nicht nach seiner überfüllten, kleinen Wohnung, wo alles, was angenehm war, erst aus den Wänden herausgezogen werden mußte und seine alten Großen Augenblicke der Medizin dräuend über einem schwebten. Ich konnte meine Gedanken nicht vom Hough-District losreißen. Deshalb brachte ich ein paar lahme Ausreden vor, Ben akzeptierte sie, und wir verabschiedeten uns. Es waren noch etwa fünf Minuten Regen übrig. Ich rannte hinaus, um sie zu genießen.
     

 
9
     
    Ich nahm mir ein Taxi nach Hough. Aufgrund irgendeines unverständlichen Gesetzes waren Taxis während der letzten Jahre meiner ersten Lebensspanne verboten gewesen. Ich hatte die Politik der Weltregierung selten in Frage gestellt, und noch weniger die des Amerikanischen Sektors, denn schließlich überlebte die Enklave durch ihre Subventionen. Aber über die Gesetze, die die Anzahl der Fahrzeuge beschränkten, hatte ich mir den Kopf zerbrochen. Offenbar hatte ein genügender Prozentsatz der Bevölkerung die Verbote ebenfalls bedauert, denn alle einstmals verbannten Arten von Fahrzeugen waren auf die Straßen zurückgekehrt. Mein Taxifahrer erzählte, es sei ein Dutzend neuer und harmloser Treibstoffe erfunden worden, die die Fahrzeuge ungefährlich machten, und deshalb habe man den Bann aufgehoben. Ich ließ mich in den weichen Rücksitz zurücksinken und murmelte, daß die neuen Treibstoffe nichts als selbstverständlich seien. Die in der Enklave betriebene Forschung hatte gezeigt, daß solche wunderbaren Entwicklungen im allgemeinen immer dann stattfanden, wenn die Leute von der Regierung sie brauchten, und so war es seit geraumer Zeit auch gewesen.
    Ich traf in Hough zu früh ein. Ein paar Leute schlenderten auf den Straßen umher. Sie gingen hastig an mir vorbei, offensichtlich jetzt noch nicht an Vergnügungssuchern und dem Suchen von Vergnügen interessiert. Das war mir recht, denn ich liebe es, mir ein

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