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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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ging. Mary wollte wissen, warum ich so enttäuscht aussähe.
    »Ich hatte erwartet, angeschnallt oder verbunden oder so etwas zu werden.«
    Sie lachte.
    »Von solchen Vorstellungen habe ich gehört. Vor vielen Jahren gab es Theater, bei denen die Zuschauer in die Vorstellung eingeschaltet wurden. Das muß einige Zeit her sein, mindestens ein paar Jahrzehnte.«
    »Ich weiß nicht viel über Theater. Ich bin nicht öfter als ein paarmal darin gewesen.«
    »Hier wird es dir gefallen. Es ist ähnlich, als ob man eingeschaltet sei. In den Kissen hinter uns sind Geräte. Eine Art davon nennt man, glaube ich, Sensoren, und sie übermitteln Suggestionen.«
    »Suggestionen?«
    »So heißt es wohl. Ich weiß, daß sie das Wort hier benutzen. Sieh in deinem Programm nach. Die Sensoren und das andere Zeug können Gefühle aus dem Stück auf dich übertragen, aber nur soviel, wie du selbst willst. Auf irgendeine Weise wird dein Gehirn angesprochen, statt daß dir die Gefühle aufgezwungen werden. Darum nennt man das wohl Suggestionen.«
    In mehr technisch gehaltener Sprache bestätigte das Programm, was Mary mir erzählt hatte. Die Sensoren sandten Wellen aus, die die Gefühle, Gedanken und Reaktionen der Zuschauer beeinflußten. Aber jeder einzelne Zuschauer konnte das Ausmaß, in dem er beeinflußt wurde, kontrollieren. Wenn er von allen Suggestionen frei sein wollte, brauchte er sich nur nach vorn zu beugen. Das unterbrach den Kontakt mit den Sensoren und Wellensendern, die in den Kissen steckten. Und die Wellen, die man empfing, unterlagen wiederum auf subtile Weise der Stimmung und der emotionalen Verfassung des einzelnen Zuschauers wie auch des gesamten Zuschauerkollektivs. Gewisse Aspekte des Stücks konnten durch die Intensität der Publikumsreaktion verändert werden.
    Das Programmheft widmete einigen Raum auch Informationen über das heute abend gespielte Stück, das den Titel trug: Der Tod ist genau das, was du denkst, daß er sei. Aufgeführt wurde es von der Dramatischen Abteilung des Aktions- und Protest-Komitees von Hough, ein hochtrabender Name für eine Organisation im Herzen eines in Mode gekommenen Rote-Lampen-Viertels.
    Mary schien in Gedanken versunken zu sein. Sie hatte ihr Programm zusammengerollt und versuchte, den Zylinder fester zu wickeln. Zweimal sah sie über ihre rechte Schulter.
    »Stimmt etwas nicht?« fragte ich.
    Sie nickte.
    »Ich sage es dir lieber gleich. Ich glaube, zwei von Sams Männern stehen hinten im Zuschauerraum.«
    »Und du meinst, sie sind unseretwegen hier?«
    »Ich meine, sie sind deinetwegen hier. Aber wer weiß? Sie können auch jemand anders suchen. Vielleicht ist es ihr freier Abend, und sie sind begeisterte Theaterbesucher. Was ich bezweifele. Ich würde vorsichtig sein, wenn ich du wäre. Schließlich bist du derjenige, der stolz wie ein Hanswurst davonging, als Sam wütend auf dich war.«
    Mary sah mich seltsam an. Es war beinahe ein Katze-und-Maus-Blick, und sie war die Katze. Mir kam es so vor, als mache es ihr Spaß, daß ich von diesen beiden Schlägern bedroht war. Ich rekelte mich möglichst natürlich auf meinem Sitz und brachte meinen Kopf so weit nach unten, wie es möglich war, ohne ganz außer Sicht zu geraten.
    Plötzlich begann das Stück. Alle Lichter gingen aus. Die Schauspieler begannen damit, daß sie emotionale Laute ausstießen. Zuerst kam ein Stöhnen aus einer vorderen Ecke des Theaters, dann brach unter einer Gruppe irgendwo im Hintergrund glückliches Gelächter aus. Ein leises Summen trieb von links herbei, und ihm begegnete ein verächtliches Schnauben von rechts. Neue Laute kamen hinzu, Laute der Freude und Zufriedenheit mischten sich mit solchen des Kummers und Schmerzes. Ich merkte, daß sich Mitglieder des Ensembles zwischen den Zuschauerabteilen hindurchbewegten. Sie wurden ziemlich laut. Ein Mädchen kroch an unser Fußbodenloch und gurrte mir sinnlich ins Ohr.
    Mir kam zu Bewußtsein, daß ich unkontrollierbar zitterte, und ich wußte nicht, warum. Dann fiel mir ein, daß es von den Geräten in den Kissen herkommen mußte. Ich beugte mich vor, unterbrach den Kontakt, und das Zittern hörte auf. Ich streckte die Hand aus und berührte Mary. Ihre Haut war kalt, und es schüttelte sie.
    Die Laute, die die Schauspieler rings um uns ausstießen, verloren an Lautstärke. Als sie für mich leise genug geworden waren, lehnte ich mich wieder gegen das Kissen zurück. Sofort überflutete mich ein Gefühl der Erleichterung, das ich als Befreiung von

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