Alicia
sie.
Stephen schien der Klang ihrer Stimme zu ernüchtern. »Ihr werdet Euch erkälten«, sagte er besorgt. »Zieht Euer Kleid aus. Ihr könnt mein Wams tragen. Soll ich ein Feuer für Euch machen? «
»Ich würde es vorziehen, wenn ihr mich losließet und wir zum Haus zurückreiten könnten. «
Widerstrebend stellte Stephen sie auf den Boden. »Ihr zittert«, sagte er, während er über ihren Arm strich. »Ihr werdet krank, wenn Ihr Euch nicht etwas Trockenes anzieht. «
Sie wich vor ihm zurück. Die nassen Röcke klatschten um ihre Beine, und die Ärmel klebten ihr triefend an den Armen.
Stephen sah sie verdrossen an. »Diese Sachen sind so naß, daß Ihr kaum darin laufen könnt. Warum Frauen so eine Mode tragen, ist mir unerfindlich. Ich fürchte, Ihr seid in diesen Röcken so schwer, daß Euer Pferd unter der Last zusammenbrechen wird. «
Alicia drückte ihre Schultern gerade, obwohl das gar nicht so leicht war. »Frauen! Ihr Engländer seid es doch, die den Frauen diese Mode aufzwingen. Ihr wollt sie damit unbeweglich machen, weil Ihr nicht Manns genug seid, mit freien Frauen umzugehen. Die Engländer beurteilen ja zu oft einen Menschen nach seinem Aufzug. «
Sie hielt den Stoff auseinander. »Wißt Ihr, wieviel mich dieses Kleid gekostet hat? Hundert Stück Rinder hätte ich mir dafür kaufen können. Und Ihr habt es mir verdorben. «
»Ich? Eure Halsstarrigkeit ist schuld daran. Und nun schlottert Ihr lieber vor Kälte, als auf mich zu hören. «
Sie lächelte spöttisch. »So ganz dumm seid Ihr doch nicht. Einiges habt Ihr begriffen. «
Stephen lachte in sich hinein: »Ich weiß mehr, als Ihr ahnt. « Er entfernte sein Wams und hielt es ihr hin. »Wenn Ihr solche Angst vor mir habt, geht in den Wald und zieht Euch dort um. «
»Angst! « schnaubte Alicia und ließ ihn samt seinem Wams stehen. Sie ging langsam und nahm ihren Hochland-Tartan aus ihrer Satteltasche. Sie sah nicht zu Stephen zurück, als sie, von Rab begleitet, weiterging in den Wald.
Sie hatte große Mühe mit den Ösen und Haken auf ihrem Rücken. Als sie sich endlich von ihrem Kleid zu befreien vermochte, war ihre Haut fast blau. Das Kleid fiel wie ein Klumpen um ihre Füße. Das linnene Unterhemd und der vormals gestärkte Unterrock waren von dem burgunderroten Kleid verfärbt. Sie hätte zu gern auch das nasse Unterzeug ausgezogen, wagte es aber nicht, solange ein Mann wie Stephen Montgomery in der Nähe war. Sie sah sich um, ob er sie gar heimlich beobachtete, hob dann den Rock und entfernte ihre Seidenstrümpfe. Nachdem sie alles ausgezogen hatte, dessen sie sich zu entledigen wagte, wickelte sie sich in ihr Plaid und ging zum Fluß zurück.
Stephen war nirgends zu sehen.
»Sucht Ihr mich? « fragte er hinter ihr.
Als sie sich umdrehte, stand er grinsend vor ihr, ihre nassen» Kleider über dem Arm. Offenbar hatte er sich in der Näheversteckt und sie beim Umziehen beobachtet.
Ihre Augen waren kalt wie Stahl, als sie ihn ansah. »Ihr glaubt, Ihr hättet gewonnen, wie? Ihr seid so zuversichtlich, daß Ihr mich behandelt wie Euer Spielzeug. Ich bin aber kein Spielzeug und schon gar nicht Eures. Wenn es Eure englische Eitelkeit auch nicht wahrhaben möchte - ich bin eine Schottin und verfüge über einige Macht. Und die werde ich zu gebrauchen wissen. «
Damit wandte sie sich der Stelle zu, wo ihre schwarze Stute angebunden war. Sie schob ihren Tartan über die Knie hinauf, packte das Pferd bei der Mähne und schwang sich auf dessen Rücken. Sie sprengte im Galopp davon, ehe Stephen ihren Sattel aufsammeln und seinen Hengst losbinden konnte.
Alicia fühlte sich nach einem heißen Bad schon viel besser. Sie stand vor ihrem Spiegel in ihrem Gemach und betrachtete das Kleid aus smaragdgrüner Seide, dessen Schleppärmel mit dem pelz grauer Eichhörnchen gefüttert waren. Sie betonten den aus grauer Seide genähten Einsatz an der Vorderseite ihres Glockenrocks. Eine Zofe hatte ihr frische Astern gebracht, aus denen sie einen Kranz für ihre Haare flocht. Sie wollte so vorteilhaft wie möglich zur Geltung kommen.
Morag, die ihr beim Ankleiden zusah, schnaubte: »Mir würde es ja gefallen, wenn Ihr Euch so schön macht, um Sir Stephens Herz zu erfreuen. Doch das scheint mir nicht der Fall zu sein. «
»Für diesen Mann würde ich mich niemals schön machen. «
»Soweit ich seine Wünsche erraten kann, sieht er Euch am liebsten ohne Kleider«, murmelte Morag.
Alicia ersparte sich eine Antwort darauf. Sie hatte Zeit gehabt, zu
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