Alicia
diesem Manöver überrascht, achtete Roger nicht auf Stephens Lanze, die ihn an der Hüfte traf. Er wankte im Sattel, und der wuchtige Aufprall hätte ihn um ein Haar vom Pferd geworfen. Doch gelang es ihm gerade noch, sich an der Mähne festzuhalten.
»Er ist angeschlagen«, sagte der Knappe an Stephens Seite. »Wenn Ihr ihn diesmal voll trefft, geht er zu Boden. «
Stephen nickte und schloß das Visier.
Roger konzentrierte sich auf die Attacke und vernachlässigte seine Verteidigung. Als er die Lanze zum Stoß senkte, traf Stephen ihn wieder, diesmal wuchtiger als zuvor. Roger kippte nach hinten und fiel dann hart auf den Boden vor die Beine von Stephens Pferd.
Stephen sah nur kurz zu seinem gestürzten Gegner hinunter und blickte dann Alicia an.
Doch Roger Chatworth war nicht der Mann, dem man den Rücken zukehren durfte. Er griff nach einer mit Eisenstacheln bewehrten Keule an seinem Sattel und lief, die Waffe über den Kopf schwingend, hinter Stephen her.
»Stephen! « rief jemand.
Stephen reagierte sofort, doch nicht rasch genug. Der Morgenstern traf Stephen wuchtig am linken Schenkel. Stephens Rüstung beulte und drückte sich in sein Fleisch. Der unerwartete Schlag warf Stephen, obwohl er sich am Sattelknopf zu halten suchte, vom Pferd.
Als er sich aufrichtete, sah er Roger erneut mit schlagbereiter Keule auf sich zukommen. Er rollte zur Seite, und die Stahlgelenke seiner Rüstung protestierten kreischend.
Jemand warf Stephen eine Keule zu, als ihn Rogers Morgenstern an der Schulter traf. Stephen stöhnte und schmetterte seine Keule gegen Rogers Hüfte. Als Roger zur Seite taumelte, setzte Stephen ihm nach. Diesen Kampf mußte er gewinnen.
Sein nächster Schlag, der Roger am rechten Schulterblatt erwischte, warf diesen kopfüber in den Sand. Die Rüstung schützte ihn vor den Stacheln; aber die Wucht der Keulenschläge betäubten ihn.
Roger blieb offensichtlich benommen liegen. Stephen zog sein Schwert, stellte sich mit gespreizten Beinen über ihn und öffnete mit der Schwertspitze das Visier.
Roger blickte finster zu dem Sieger hinauf. »Bringt es hinter Euch! « stieß er hervor. »Tötet mich, wie ich Euch getötet hätte! «
Stephen starrte auf ihn hinunter. »Ich habe gewonnen. Das genügt mir. « Er trat neben Rogers regungslose Gestalt, zog den Panzerhandschuh aus und reckte ihm die entblößte Hand hin.
»Ihr beleidigt mich«, zischte Roger, hob den Kopf und spuckte auf die Hand, die Stephen ihm hinstreckte. »Das werde ich Euch nicht vergessen! «
Stephen wischte seine Hand an der Rüstung ab. »Ich werde immer daran denken. « Er schob das Schwert in die Scheide zurück und wandte sich ab.
Er ging direkt auf Alicia zu, die neben Morag am Rand des Turnierplatzes stand. Alicia wurde ganz steif, als Stephen sich ihr näherte, langsam den Helm abnahm und diesen Morag zuwarf, die ihn grinsend auffing.
Alicia wich nun einen Schritt vor ihm zurück.
»Diesmal entkommt Ihr mir nicht mehr«, sagte er, während er mit der unbewehrten Hand nach ihrem Oberarm griff. Er zog sie an sich. Sein Arm war stärker als ihr ganzer Körper. Er drückte ihren weichen Leib an seinen harten Panzer. Die Kälte und Starrheit der Rüstung brachte ihren Atem zum Stocken. Noch mehr Stahl beschwerte sie, als er sie mit beiden Armen umfaßte.
»Jetzt bist du mein«, murmelte Stephen und drückte seinen Mund auf ihre Lippen.
Es war nicht das erste Mal, daß Alicia einen Mann küßte. So manchesmal bei ihren Raubzügen auf dem Hochland hatte sie mit einem Mann einen flüchtigen, verstohlenen Kuß getauscht.
Doch noch nie hatte sie so einen Kuß erlebt wie diesen. Er war weich und zart, doch zugleich nahm er ihr etwas, das sie bisher noch nie einem Mann geschenkt hatte. Sein Mund spielte mit ihrem Mund, berührte ihn und liebkoste ihn. Sie stand auf den Zehenspitzen, um ihn besser erreichen zu können, und hielt den Kopf etwas schräg. Er schien zu verlangen, daß sie die Lippen Öffnete, und sie tat es. Ihre Zungenspitzen berührten sich, und das löste einen Schauder aus, der an ihrem Rückgrat entlanglief. Ihr Körper schien zu schmelzen, und als sie den Kopf zurücknahm, folgte er ihr mit dem seinen. Er hielt sie mehr gefangen, als es Ketten hätten tun können.
Unvermittelt zog sich Stephen von ihr zurück, und als Alicia die Augen öffnete, sah sie sein unverschämtes Grinsen. Sie merkte, daß sie mit ihrem ganzen Gewicht an seinem Arm hing, daß sein Kuß zu einer Hingabe ihres Körpers führte, der nur
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