Alicia
um, schien jedoch zu spüren, wann er langsamer werden mußte, damit sie den Anschluß nicht verlor.
Alicia war sehr müde. Sie hatte keinen Bissen mehr zu sich genommen seit gestern abend, und der Kampf auf der Weide schien schon Tage zurückzuliegen. Sie war so hungrig, daß ihr Magen sich anfühlte, als verzehrte er sich selbst. Der Regen war nur noch ein kaltes Nieseln, das die Wärme aus ihrem Körper saugte, bis ihre Zähne zu klappern anfingen. Ihre Beine waren wund und geschwollen, und wie sie sich auch in den Sattel setzen mochte, stets traf sie auf eine wunde Stelle.
Doch sie wäre lieber gestorben als Stephen zu bitten, eine Rast einzulegen.
Gegen Mittag hielt er an, und Alicia vermochte einen erleichterten Seufzer nicht zu unterdrücken. Ehe sie absteigen konnte, stand er schon an ihrem Pferd und zog sie aus dem Sattel. Sie war zu zerschlagen und verfroren, um sich noch an die Ereignisse der vergangenen Nacht erinnern zu können.
Er stellte sie auf den Boden und ging dann ein paar Schritte zur Seite. Als er zurücksah, merkte sie, daß sein Zorn sich nicht gemildert hatte. »Warum? « fragte er, und sie hörte seiner Stimme an, wieviel Mühe es ihn kostete, ruhig zu sprechen. »Warum hast du mich betäubt? «
Sie versuchte, sehr gerade zu stehen. »Die MacGregors planten einen neuen Überfall, und ich mußte das Eigentum meiner Leute schützen. «
Seine Augen waren kalt und hart. »Hat dir noch niemand gesagt, daß es Mannespflicht ist, einen Trupp von Kriegern anzuführen? «
Sie zuckte mit den Achseln. »So lernt ihr es in England. In Schottland ist es anders. Mir brachte man schon mit sieben Jahren bei, wie ich mit einem Schwert umzugehen habe, wenn die Umstände es verlangten. «
»Und du dachtest, ich wäre unfähig, deine Leute anzuführen. Also warfst du deine Kleider ab« — er wies höhnisch auf den kurzen Saum ihres Hemdes — »und führtest sie selbst. Glaubst du, du bist ein besserer Mann als ich? «
»Ein besserer Mann! « sagte sie entrüstet, »das ist deine ganze Sorge, daß du als Mann nicht dein Gesicht verlierst! Beim letzten Überfall bist du in deiner Rüstung losgeritten. Weißt du, daß die MacGregors mich ausgelacht haben? Sie sagten, die MacArrans haben eine Frau als Boss, und ein eiserner Klotz ist ihr Anführer. Ich sorgte heute nacht dafür, daß ihnen das Lachen vergeht. Ich schnitzte ein A in die Schulter des Klanführers. «
»Du schnitztest was? « rief Stephen betroffen.
»Du hast sehr wohl verstanden, was ich sagte«, erwiderte sie hochmütig.
»Oh, Gott! « rief Stephen und fuhr sich mit den Händen durch die nassen Haare, »hast du noch nicht begriffen, daß Männer ihren Stolz haben? Er soll sein ganzes Leben lang mit dem Brandzeichen einer Frau herumlaufen? Er wird dich hassen dafür — dich und deinen Klan. «
»Da täuschst du dich! Zudem leben die MacGregors und die MacArrans bereits seit Jahrhunderten im Haß aufeinander. «
»Das ist nicht wahr. Ich betrachte diese Weideüberfälle eher als einen Sport, als ein Kräftemessen. Doch ein richtiger Krieg ist das nicht. «
»Was weißt du schon davon! Du bist ein Engländer. « Sie drehte ihm den Rücken zu und beschäftigte sich mit ihrer Satteltasche.
Er legte seine Hand auf die ihren. »Versprich mir, daß du nie mehr versuchst, mich zu betäuben. «
Sie nahm ihre Hände von der Satteltasche.
»Das kann ich nicht versprechen. «
Er drehte sie zu sich. »Ich kann nicht zulassen, daß die Launen eines törichten Mädchens meine Männer gefährden! «
Sie stieß mit beiden Händen gegen seine Brust. »Mädchen! Ich bin eine MacArran. Hunderte von Männern und Frauen gehorchen meinem Befehl und respektieren mich. «
»Und lassen dich gewähren, wenn du übermütig wirst! Du bist eine intelligente Frau, und deine Urteilssprüche sind weise. Doch du hast nicht die Erfahrung, Männer in den Kampf zu führen. Das ist meine Aufgabe. «
»Meine Männer werden dir nicht folgen. «
»Sie werden mir folgen, solange ich wach genug bin, sie anzuführen. « Er starrte sie an, als sie ihm nicht antwortete. »Ich bat dich um ein Versprechen. Jetzt werde ich es mir nehmen. Wenn du mich noch einmal betäubst, verlierst du deinen Hund! «
Alicia erwiderte verwundert: »Rab wird immer zu mir zurückkehren. «
»Nicht, wenn er ein paar Fuß tief unter der Erde liegt. «
»Du würdest meinen Hund töten, um zu bekommen, was du verlangst? «
»Ich würde hundert Hunde oder Pferde töten, um einen Mann zu
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