Alicia
Hebamme finden? Sie nahm Kirsty in die Arme, als eine neue Welle von Schmerzen über ihren Leib lief. »Rab«, sagte sie leise, »geh zu Stephen. Bring ihn sofort hierher. «
Rab lief schon, ehe sie ihren Befehl ganz ausgesprochen hatte.
»Komm — ich bringe dich in den Wagen«, sagte Alicia besorgt. Es war für sie ein Leichtes, diese zarte Frau in den Wagen zu tragen und dort auf die Planken zu betten. Alicia sah zum Wald hinüber, während sie Kirsty zu trinken gab. Stephen würde wissen, was hier zu tun sei, dachte sie immer wieder. Sie merkte gar nicht, daß sie sich zum erstenmal ganz auf seine Hilfe verlassen wollte.
Sie lächelte, als sie Stephens ärgerliches Poltern hörte.
»Alicia! «
Sie stieg vom Wagen herunter.
»Was, zum Henker, wollte diese Höllengeburt von mir? « fragte er. »Er sprang mir auf den Rücken, als ich auf ein Reh zielte! Und er riß mir fast ein Bein aus, als ich nicht gleich mitkommen wollte. «
Sie lächelte ihn nur an. »Kirsty bekommt ihr Baby. «
»Oh, mein Gott! « hauchte Donald und lief zum Wagen.
»Wie schnell? « forschte Stephen.
»Jetzt, glaube ich. «
»Denk nach! « sagte Stephen ärgerlich. »Weißt du es nicht genau? «
»Woher soll ich das wissen? «
»Frauen müssen doch in diesen Dingen Erfahrung haben! « stotterte er.
»Beim Lesen, Rechnen und Kampfübungen mit dem Schwert erfährt man wenig darüber«, sagte sie sarkastisch.
»Eine verdammt einseitige Erziehung für ein Mädchen, wenn du mich fragst. Es muß doch Zeiten gegeben haben, wo deine Familie nicht nur Überfälle auf Rinderherden organisierte! «
Donald hinderte Alicia daran, Stephen eine zornige Antwort zu geben. »Sie verlangt nach dir«, sagte er, eine tiefe Falte auf der Stirn. Weiße Linien zeichneten sich an seinen Mundwinkeln ab. Er nahm den Stock, um ihn auf das Feuer zu legen, doch seine Hände zitterten so heftig, daß ihm das Holz entfiel.
»Mich? « fragte Alicia verdattert und zeigte auf sich.
»Wer sonst? Ist ja kein anderer da«, sagte Stephen und gab ihr einen Schubs auf den Wagen zu.
Ihr Gesicht verlor jede Farbe. »Stephen, ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man ein Baby bekommt. «
Er legte ihr die Hand an die Wange. »Du hast Angst? «
Sie sah auf ihre Hände hinunter.
»Ein so großer Unterschied zu einer Kuh oder einem Pferd kann es doch nicht sein«, sagte er, bemüht, ihr zu helfen.
»Eine Kuh! « Ihre Augen funkelten ihn erst an. Doch dann nickte sie. »Bleib bei mir«, sagte sie entschlossen. »Hilf mir dabei. «
Stephen hatte noch nie erlebt, daß Alicia ihn um Hilfe gebeten hatte. Ausgerechnet in so einer Sache. »Wie kann ich dir helfen? Ein Mann hat bei der Geburt eines Kindes nichts zu suchen. Ja, wenn ich ein Verwandter der Frau wäre… «
»Schau dir ihren Mann an! « sagte Alicia, mit dem Kopf auf Donald deutend. »Er ist nur besorgt um das Wohl seiner Frau. Aber wenn sie ein Kind bekommt, verliert er die Nerven. «
»Alicia! « rief die Frau im Wagen gellend.
»Bitte! « sagte Alicia, ihre Hand auf Stephens Brust. »Ich habe dich noch nie um etwas gebeten… «
»Nur daß ich meinen Namen, meine Nationalität, meine Kleidung… «
Sie wandte sich von ihm ab. Er faßte nach ihrem Arm. »Gemeinsam«, flüsterte er, »laß uns wenigstens einmal etwas gemeinsam tun! «
Es wurde keine leichte Geburt. Kirsty war eng gebaut, und das Baby war groß. Sie hatten alle drei wenig Ahnung, wie man ein Kind auf die Welt bringt, hielten das aber für eine wundervolle Erfahrung. Alicia und Stephen schwitzten genauso wie Kirsty. Als der Kopf erschien, sahen sie sich alle drei stolz an. Stephen stützte Kirsty, damit sie sehen konnte, wie Alicia den Kopf des Babys hielt und die Schultern vorsichtig aus dem Leib beförderte.
Die untere Hälfte des Kindes schien förmlich aus dem Bauch herauszuschießen, und Alicia hielt das Baby in ihren Armen.
»Wir haben es geschafft! « flüsterte sie.
Stephen grinste sie an und gab Kirsty einen schallend lauten Kuß.
»Vielen Dank«, sagte Kirsty lächelnd und lehnte sich völlig erschöpft gegen Stephens Arm.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sie das Baby und die Mutter gesäubert hatten, und sahen dann auf das Kind, das bereits mit dem Mund nach der Brust suchte.
»Komm, wir wollen Donald sagen, daß er einen Sohn bekommen hat«, flüsterte Stephen.
Donald stand mit angstverzerrtem Gesicht vor dem Wagen.
»Schau mich nicht so böse an! « sagte Stephen lachend, »betrachte lieber deinen Sohn! «
»Ein
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