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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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auf die Bugspitzen der
größten Raumschiffe.
    Nach den Jahren im Kamali-Silver-Institut waren die unbegrenzten
Möglichkeiten schwindelerregend. Dorthy gelang es, ein Taxi
heranzuwinken, und ließ sich zu ihrem Hotel fahren. Dabei
betrachtete sie die Stadtlandschaft, weitschweifige weiße
Gebäude in einem endlosen Raster baumgesäumter
Straßen, die unter dem Kiel des Taxis dahinglitten. Aus dieser
Höhe wirkte alles unwirklich, fast wie in einer Trivia-Show.
    Unwirklich, dachte sie, aber diese Gefühl schwand
allmählich. Mechanisch ließ sie die Prozedur der
Registrierung über sich ergehen. In ihrem Zimmer angekommen,
duschte sie und trat danach auf den Balkon hinaus. Die salzige Brise
von der Küste wehte das Badetuch gegen ihre Beine. Eine geraume
Weile beobachtete sie, wie die winzigen Segelschiffe durch die weite
blaue Bucht kreuzten.
    Erde.
    Die Reise aus dem Orbit herunter, das Zerren der Schwerkraft,
beinahe so stark wie im Institut, hatte sie für all die Wunder
hier unten unempfänglich gemacht. Dorthy streckte sich auf dem
großen Bett aus und zappte die Trivia-Kanäle durch, ohne
etwas zu finden, das sie interessierte. Es war alles beruhigend
vertraut, fast einschläfernd. Während eines Ausschnitts
einer Raum-Oper – eine Frau war in die Fänge eines Wesens,
das aussah wie eine Kreuzung zwischen Affe und Bär, geraten und
wurde von ihm zum Dach eines unendlich hohen Gebäudes
verschleppt – nickte sie dann wirklich ein und schlief trotz des
Lichtgeflackers und der Dialoge aus dem Gerät tief und fest.
Erst gegen Mittag des nächsten Tages wachte sie auf. Sie duschte
und frühstückte. Danach zog sie sich an, steckte ihre
Kreditscheibe ein und verließ das Hotel. Sie hatte nicht mal
ihren Seesack ausgepackt.
    Die Monoline zog sich wie eine mathematische Konstante durch die
Zufallsgeometrie des Outback. Dorthy sah die Wüstenlandschaft
vorbeigleiten. Die Trasse war mit feinem Staub bedeckt. Daneben
öffneten sich die erodierten Kreise von Meteoriten-Kratern,
dehnten sich lange Geröllhänge, und alles unter dem
unendlich blauen Himmel zeigte die Farbe von getrocknetem Blut.
Dorthy spürte keinerlei Regung. Alles Gefühl war in dem
Dahingleiten des Zuges versickert. Keinen Moment lang hatte sie die
Vorfreude empfunden, die man sonst hat, wenn man nach vielen Jahren
heimkehrt. Ihr Zuhause war die kleine Apartmentwohnung in der
Walfängerstadt an der Küste gewesen, nicht diese
Rinderranch im Outback. Sie schlief ein wenig, nahm eine
undefinierbare Mahlzeit zu sich, und schlief erneut. Erst als der Zug
langsamer wurde und in die kleine Stadt einfuhr, erwachte sie.
    Dorthy verließ als einziger Fahrgast den Zug und stand auf
der glühendheißen Betonplattform des Bahnsteigs. Die
Stadt, eine spärliche Ansammlung von Anwesen, jedes
sattgrün unter seiner lichtdurchlässigen Glaskuppel, mit
ausgedehnten Pflanzungen und dicht aneinandergereihten Silos in den
Randbezirken, schien zu schlafen. Sie lag wie ausgestorben unter den
vertikal einfallenden Sonnenstrahlen.
    Der Fahrer des Bodenwagens, den Dorthy mit einiger Mühe
anheuern konnte, war eine barsche, hagere Frau mit gebleichten
Haaren, die sich hell von ihrem sonnengebräunten Teint abhoben.
Der Wagen zog eine Staubfahne hinter sich her, als sie ihn auf der
nicht mit Metall ausgekleideten Piste zur Ranch hinaussteuerte.
Verkrüppelte Büsche wuchsen hier und da aus dem
dürren, bräunlichen Grasboden, und weit und breit gab es
keinen einzigen Baum. Einmal bemerkte Dorthy den ausgedörrten
Kadaver eines Rindes. Die Fahrerin deutete mit dem Kinn hinüber.
»Miese Gegend hier. Kaum Regen.«
    Wenig später kamen sie an einer Herde ausgemergelter Rinder
vorbei, die an einem flachen Wasserloch ihren Durst stillten. Das
wenige Wasser lag wie ein kleiner runder Spiegel in einem
ausgedehnten Schlammloch voller Hufspuren.
    In der Ferne zeigten sich jetzt ein paar Bäume, dazwischen
schimmerte die dunkle Oberfläche aneinandergereihter
Solarzellen.
    »Verwandte von Ihnen?«
    »Das Land hier gehört meinem Vater«, antwortete
Dorthy und spürte nun doch einen Hauch von Neugier – die
sie ja ursprünglich auch hierher geführt hatte. Ihr Vater
hatte die Ranch von dem Geld gekauft, das sie am Institut verdiente,
ehe sie volljährig wurde. In seinen kurzen,
unregelmäßigen Schriftwechseln – nicht einmal ein
Holo hatte er ihr geschickt – hatte er ihr nie etwas über
das Anwesen erzählt.
    »Waren wohl noch nie hier draußen, stimmt’s?«
fragte die Frau.

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