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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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die Kehle
zu. »Für mich ist das hier nicht uchi. Es ist onbu, von meinem Geld bezahlt – und du hast alles
verkommen lassen.«
    »Du weißt eben nicht, wie das hier ist…«
    Ihr Vater schlurfte zum Wasserbecken in der Ecke, hielt seine
Hände unter den Strahl und fuhr sich durchs Gesicht. »Seit
die okaa-san gestorben ist, bin ich ein gebrochener Mann,
Tochter.« Er strich sich über den Brustkorb, als wolle er
ihr sein gebrochenes Herz zeigen.
    »Mir will es eher scheinen, daß du Mutters Herz
gebrochen hast«, entgegnete Dorthy. »Du mit deinen
unmöglichen Forderungen und Träumen. Du hast mir nicht mal
mitgeteilt, wann sie gestorben ist.«
    »Ruhig, Tochter.« Für einen Moment kam seine
einstige Strenge wieder zum Vorschein. »Du kannst nicht einfach
herkommen und alles schlecht machen. Dies ist mein Haus.«
    Aber Dorthy war seinen Einschüchterungsversuchen inzwischen
entwachsen. »Das hast du alles mit meinem Geld bezahlt. Onbu! Du füllst mein Haus mit Schmarotzern. Deine miesen Freunde
versaufen den Lohn meiner Kinderarbeit und schlagen ihn dann in den
Büschen draußen ab. Das hier ist kein Haus, verehrter Herr
Vater, sondern ein Schweinestall!«
    Sie erahnte seine Reaktion und wich ihm aus, als er zum Schlag
ausholte. Seine Faust krachte gegen die Wand, und er umklammerte sie
wehleidig, war plötzlich zerknirscht. »Das Schicksal«,
jammerte er. »Es war das Schicksal.« Seine
mandelförmigen Augen verengten sich, Tränen glitzerten in
den schwarzen Wimpern. Dumpf fügte er hinzu: »Vergib mir,
Tochter!«
    Einen Augenblick lang, einen kurzen Augenblick empfand Dorthy
Mitleid – und haßte sich im nächsten Moment
dafür.
    »Wo ist meine Schwester? Wo ist Hiroko?«
    »Sie schläft. Wir alle schlafen meist um diese
Tageszeit.« Und dann: »Warte, Tochter, so warte
doch!«
    Aber Dorthy war schon an ihm vorbei. Sie eilte den langen Gang
hinunter, der das Haus von einem Ende zum anderen durchzog, und
öffnete Tür um Tür. Die meisten Zimmer waren leer. In
einem schliefen über ein Dutzend Menschen auf Futons. Die Luft
war verbraucht und stank.
    Die Tür zum Nachbarzimmer stand halb offen. Dorthy
stieß sie weit auf.
    Erschrocken fuhr ihr Onkel Mishio auf. Er trug einen fleckigen yukata. Sein unversehrtes Auge schimmerte im Halbdunkel. Das
nackte Mädchen neben ihm starrte Dorthy wie einen Geist an und
preßte dabei die Hände vor den Mund. Es war Hiroko.
    Auf Dorthys Schock folgte eisige Ruhe. Sie befahl ihrer Schwester,
sich anzuziehen, ignorierte Mishios betrunkenen Wortschwall, mit dem
er die Situation zu erklären versuchte, und zog die Schwester
hinter sich her den Gang hinunter. Mishio begann lauthals zu fluchen
und zu schreien.
    Die beiden Frauen hatten kaum die Veranda erreicht, da war das
ganze Haus auf den Beinen. Überall liefen Leute herum.
    »Wohin gehen wir?« fragte Hiroko noch halb im Schlaf und
strich sich das lange Haar aus dem schmutzigen Gesicht. Sie hasteten
über den müllübersäten Hofplatz. Der Hund
bemerkte sie, schlug aber nicht an.
    »Ach, Hiroko!«
    »Er hat mir wenigstens die anderen Männer vom Leib
gehalten«, sagte das Mädchen.
    Hinter ihnen gellten Rufe. Dorthy sah sich um. Eine Horde
Männer drängte auf die Veranda heraus. Ihre Gedanken
überrollten sie wie ein Gewitter. Sie wußte sofort, was
ihnen beiden blühte, wenn man sie erwischte.
    Dorthy packte das dünne Handgelenk ihrer Schwester. Beide
rannten durch das Tor in einen dichten Hain von
Eukalyptus-Bäumen. Innerhalb der nächsten fünf Minuten
hatten sie das ausgetrocknete Buschland erreicht. Die Sonne ging
gerade unter, und jeder vertrocknete Busch schien in Flammen
getaucht. In der Ferne wurde ein Motor gestartet.
    »Sie werden uns suchen«, sagte Hiroko und hielt mit den
Händen das Kleid um ihren abgemagerten Körper zusammen.
»Wir sollten nicht weglaufen, Dorthy.«
    »In welcher Richtung geht’s zur Stadt?«
    Hiroko zeigte ihr die Richtung. Dorthy folgte ihr nicht, sondern
schlug einen rechtwinkligen Haken. »Wir werden uns verstecken,
bis es dunkel ist. Dann verschwinden wir. Keine Angst, ich merke
sofort, wenn einer uns zu nahe kommt. Ich bin sehr gut im
Versteckspielen.«
    »Ich erinnere mich noch, wie du diesen Jungen gefunden hast.
Manchmal wünsche ich mir, ich wäre wie du,
Dorthy-san.«
    »Wir hatten beide nicht viel Glück, denke ich.«
    Bald waren sie außer Sicht des Hauses. Weit entfernt bellte
der Hund. Hinter einem der Lastwagen senkte sich die Staubwolke
allmählich wieder zu Boden. Hiroko

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