Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
sich über den Rand und verschwanden im
Unterholz des verkümmerten Waldes. Andrews hockte sich vor die
Gabelung einer dieser Riesenranken, zog die Machete aus der Scheide
und hackte ein-, zweimal auf das Gewächs ein. Das Holz
splitterte ohne große Mühe. Plötzlich quoll Wasser
aus dem Schnitt und störte mit seinem nur langsam verebbenden
Gluckern Dorthys Versuch, sich endgültig in Trance zu
versetzen.
Sie stand auf und ging zu Andrews hinüber, der, die
Hände in die Hüften gestemmt, zusah, wie das Wasser einen
kleinen, ausgetrockneten Spalt hinunterlief und von der Klippe in die
Tiefe tropfte.
»Sehen Sie sich das mal an«, sagte er.
»Wollen Sie unbedingt, daß man uns schnappt?«
fragte Dorthy.
»Wenn wir wirklich beobachtet werden«, meinte Andrews
gelassen und drückte dabei mit der Machetenspitze die
Schnittstelle der Ranke auseinander, »weiß man längst
von unserer Anwesenheit. Haben Sie inzwischen schon herausgefunden,
mit wem oder was wir es hier zu tun haben?«
»Ich habe mich sehr bemüht, aber Sie stören mich
ganz beträchtlich dabei.«
»Tut mir leid«, antwortete er abwesend. »Sehen Sie
mal, das hier ist eine Art Pumpe.« Er hatte eine faserige
Membran herausgeschnitten. Andere hingen deaktiviert und sinnlos an
der durchtrennten Verästelung. Das Wasser quoll nur noch
tropfenweise heraus. »Ich will verdammt sein, wenn das nicht ein
lebendes Bewässerungssystem ist. Die Ranken pumpen das Wasser
von irgendwo hier herauf. Wie bei einem artesischen Brunnen. Es kann
nicht völlig zurückfließen, es sei denn, die
Bäume da hinten verdunsten keins bei ihrer
Photosynthese.«
»Jetzt hören Sie mir mal genau zu.« Dorthy war
jetzt wirklich wütend. »Sie wollten mich hier dabeihaben,
sagten, es würde Sie freuen, wenn ich freiwillig mitkäme.
Ich bin jetzt hier – aber ich kann mich nicht konzentrieren,
wenn Sie sich nicht ruhig verhalten.« Sie war wütend, weil
er sie nicht ernst nahm. Sein Herumlaufen bewies ihr, daß er
trotz all seiner Fähigkeitsbeweise die Bedeutung ihres TALENTS
immer noch nicht richtig einschätzte und es im Vergleich zu den
scharfsinnigen Erkenntnissen der hohen Wissenschaft für ein
zweitrangiges Instrument hielt.
»Offenbar habe ich einen schlechten Zeitpunkt gewählt,
um Sie anzusprechen. Ich wollte mir nur etwas die Zeit
totschlagen.«
Dorthy schaute zu den Bäumen auf der anderen Seite der
Schlucht hinüber, zwischen denen die nackten Felswände
durchschimmerten, und weiter zu den verstreut liegenden, fast
gänzlich überwucherten Gebäuden. Sie spürte dort
etwas, einen sich bewegenden, nicht zielgerichteten Schimmer. Andrews
wollte noch etwas sagen, doch sie fuhr ihm heftig über den Mund.
Zu ihrer Überraschung war er danach wirklich still.
Sie konzentrierte sich und senkte sich in ihre Mitte hinab, weg
von Andrews’ Gedanken.
Und es brach über sie herein, noch ehe sie völlig darauf
vorbereitet war – eine Woge sengender Intelligenz, die sie nur
für einen winzigen Augenblick berührte, ehe sie abdrehte
und immer schwächer wurde – wie der Schein einer Laterne,
die in der Nacht hinter einer Hausecke verschwindet.
Aus der Dunkelheit dann plötzlich eine Stimme…
Eine spröde, männliche Stimme mit einem metallischen
Nachhall, die mechanisch die Zeiten und Ziele von abfliegenden
Shuttles herunterleierte. Dahinter, den leeren Zwischenraum
füllend, das unablässige Stimmengewirr der Menge um sie
herum, das Bewußtsein wie kleine Kerzen, die hinter der hohlen
Hand flackerten, alle verschlossen, alle noch
unbewußt…
Dorthy schulterte ihren kleinen Seesack und floh durch die wogende
Menge der Fremden. Über ihrem Kopf schwebten riesige
holographische Zeichen unter den grünen Glasscheiben des hohen
Daches. Die Stimme von nirgendwo begann ihre Liste zu wiederholen.
Grüne Scheiben wechselten mit Aluminium-Platten, die
kaskadenförmig zum Ausgang verliefen.
Und dann war sie draußen. Trockenheißes Sonnenlicht
strahlte vom leeren Himmel auf sie hernieder. Auf einer Seite glitt
der Verkehr auf einer hohen Überführung dahin. Auf der
anderen Seite bewegten sich Leute durch Reihen geparkter Taxen und
Busse und Chopper. Andere Fahrzeuge stiegen auf oder schwärmten
um den Platz wie Bienen um ihren Korb – um einen Korb aus
silbrig schimmerndem Aluminium und grünem Glas, das im
Sonnenlicht blitzte. Dahinter dehnte sich das dichte Netz aus hohen
Strahlschutz-Wänden und Prallblechen des Raumhafens bis zum
Horizont und gestattete nur einen Blick
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