Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
nähern, wo sich einer der
Stützpfeiler des Antennenkomplexes erhob. Tatsächlich war
es der, den Andrews vor Stunden angekratzt hatte. Dorthy konnte seine
Streben trotz der Nachtsichtbrille in der Dunkelheit kaum erkennen.
Neben dem Pfeiler hockten vier Hüter – männliche zwar,
aber keine neuen Männlichen. Außerdem wirkten sie seltsam
entrückt. Jeder hockte an der Ecke eines Quadrates – eines
hell leuchtenden Vierecks.
Flackernde Lichter tanzten über ihr schwarzes Fell. Die
nackte Hautkapuze um ihre schmalen Gesichter glänzte und
reflektierte den Schimmer in ihren großen Augen, während
sie intensiv in die Lichtquellen starrten – lange, verschlungene
Bänder in Rot und Orange. Knoten aus leuchtendem Blau liefen an
ihnen auf und nieder, und die ganze Erscheinung hing im Nichts. Sie
wurde durch Dorthys verstärkte Sicht bis zur Schmerzgrenze
intensiviert. Hin und wieder gleißten rotierende Lichter auf,
stiegen rasch hoch und verschwanden so plötzlich, wie sie
entstanden waren.
Einer der Hüter streckte sich und schwenkte seinen
unförmigen Arm durch die Lichtbänder. Sie erstarrten einen
Moment lang und änderten dann leicht ihre Form. Die blauen
Knoten sammelten sich an einer Seite der Lichtbahnen. Draußen
im Zentrum des Beckens bewegte sich der Antennenkomplex sanft und
lautlos, ein schwarzer Schatten vor dem dämmrigen Himmel, und
das Kabel, das ihn mit dem Stützpfeiler in Dorthys Nähe
verband, schien sich eher zusammenzuziehen als sich aufzurollen.
Dorthy beobachtete den Vorgang, bis alles wieder zum Stillstand kam,
und tastete danach die ganze Konstruktion ab. Sie unterschied sich
kaum von einer vergleichbaren irdischen Antennenkonstruktion. Andrews
hatte es auf den Punkt gebracht: Fünfzehn Lichtjahre sind keine
große Distanz in der unendlichen Weite der Galaxis. In dieser
Entfernung begannen der skizzenhafte Drache des Cygnus und die lange
Reihe von Serpens Canda und gingen über in den Strom milchigen
Staubs, der die Himmel von Rand zu Rand überspannte.
Die Hüter hockten auf ihren Fersen, während sie
regungslos in die tanzenden Lichtbahnen stierten. Dorthy wurde in
ihre eigenartige Gemeinsamkeit hineingezogen wie ein Pflanze, die
sich langsam, aber unaufhaltsam der Sonne zuwendet…
… und kam etwa eine Stunde später zu sich. Durch ihre
Beine zuckten Krämpfe. Wie die Hüter hatte sie sich die
ganze Zeit nicht bewegt. Diese huschten gerade lautlos an den
skelettartigen Streben des Pfeilers vorbei auf die Schlucht im
Beckenrand zu. Keine Lichter, nur der kalte Schein des Sternenlichts
auf dem dichten Flechtenteppich des Bodens…
Dorthy wußte neben vielen anderen Dingen, daß die
Hüter zurückkommen würden – und daß dann
auch ihr Herr und Gebieter bei ihnen sein würde.
Sie brauchte nicht weit zu laufen, um die laubenartige
Höhlung zu finden, die Andrews ins dichte Buschwerk geschlagen
hatte. Dankbar streckte sie sich darin aus, schob die unbequeme
Nachtsichtbrille zurück und massierte ihre verkrampften
Beinmuskel. Die unvertrauten Konzepte, die sie von den Hütern
absorbiert hatte, schienen wie helle Nachempfindungen im Dunkel zu
hängen, und sie war so damit beschäftigt, sie zu
untersuchen, daß sie nicht merkte, wie Andrews zurückkam.
Erst das Knacken der Zweige und das Rascheln des Laubs holte sie in
die Wirklichkeit zurück.
Etwas stimmte hier nicht, stimmte ganz und gar nicht.
Andrews hockte sich vor sie hin, ein deutlich wahrnehmbarer
Schatten trotz der Dunkelheit in der Laube. »Ich habe gesehen,
wie Sie den Hütern noch oben gefolgt sind«, sagte er.
»Haben Sie herausgefunden, was es mit diesem Ort hier auf sich
hat?«
Dorthy streifte sich das Band der Nachtsichtbrille über den
Kopf und arretierte die Autofokus-Linsen. Andrews und das
Gebüsch hinter ihm zeigten sich plötzlich in deutlichem
Schwarzweiß. Nervös beantwortete sie seine Frage:
»Das waren nur Diener, Männliche zwar, aber keine neuen
Männlichen. Ich glaube, sie sind auf irgendeine Art zu Neutren
gemacht worden. Sie vollführten eine Start-Operation, richteten
offenbar die Antenne aus. Wer immer diesen Ort hier betreibt, Ihr
sogenannter großer Schwarzer Mann wird später auch da oben
auftauchen.« Sie zögerte, konnte aber dann doch nicht damit
hinterm Berg halten. »Ich weiß, was Sie gemacht
haben.«
Es war das erste Mal, daß sie offen eingestand, seine
Gedanken zu kennen, und trotz seiner Übererregung war Andrews
doch spürbar geschockt.
»Warum haben Sie es getötet?«
»Ich
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