Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
Vom Netzwerk:
beiden sie hier einfach sitzen ließen?
    Aber auf ihre Art war Dorthy ebenso starrköpfig wie Andrews,
obwohl er sicherlich mutiger, sogar auf überhebliche Weise
mutiger war als sie, und das lediglich mit der
Standardausrüstung des normalen Menschen zu seiner
Unterstützung. Dorthy hatte ihr TALENT so oft als Fluch
empfunden, als Kainsmal, das sie auszulöschen versuchte, als sie
das Studium der Astronomie begann. (Und da sie ihr TALENT nicht
nutzte, fehlten ihr schließlich die politischen Verbindungen,
die notwendig waren, der Einberufung zu entgehen, die sie hierher
verschlagen hatte.) Aber hier, in der Dunkelheit am Rand dieses
außerirdischen Waldes, fühlte sie, wie sehr sie auf ihr
TALENT angewiesen war. Sie hatte ihm aus Furcht, es voll
aufgeblüht mit diesem schrecklichen, einzigartigen
Bewußtsein zu konfrontieren, gestattet zu verkümmern. Sie
rief sich selbst zur Ordnung und schob die Nachtsichtbrille wieder
über die Augen. Denn mit dem Bodensatz ihres TALENTS konnte sie
erfassen, daß die Hüter zu ihrem Versammlungsort
zurückkehrten.
     
    Sie erkannte die aufgeregten männlichen Neutren von vorhin.
Aber nun war ihr Führer mitten unter ihnen – ein
Bewußtsein, so hell wie ein Laser zwischen Kerzen, in
höchstem Maße gefährlich, auch wenn es nicht direkt
auf Dorthy ausgerichtet war, auch wenn ihr TALENT schon wieder an
Kraft verlor. Und schließlich begriff Dorthy auch, wieso die
Technologie hier überlebt hatte und erhalten geblieben war.
    Der Führer war ein weibliches Neutrum.
    Ein aufgedunsener Schatten auf dem sternenbeschienenen
Grasstreifen, auf zwei Männliche gestützt, setzte das
weibliche Neutrum gequält einen Fuß vor den anderen und
ließ sich schließlich langsam zu Boden sinken. Die
Männlichen hockten sich respektvoll in einigem Abstand hinter
sie, während sich rötliches und orangefarbenes Licht durch
die Luft ergoß. Nun konnte Dorthy auch das Gesicht der
Weiblichen sehen: Eine gewölbte Stirn beschattete große
Augen, der kleine Mund bewegte sich ständig, als würde er
Gras widerkäuen. Der haubenförmige, runzlige Hautlappen war
dick geschwollen und fiel in schweren Falten über die massigen
behaarten Schultern.
    Draußen über dem Becken, schwarz gegen schwarz, begann
sich der Antennenkomplex langsam und geräuschlos zu bewegen, bis
er, wie Dorthy vermutet hatte, seine endgültige Position fand:
Er hatte sich auf den Zenit ausgerichtet. Auf Sagittarius, das Herz
der Galaxis. Beinahe zu spät bemerkte sie, daß die
Zeremonie schon begonnen hatte, und vorsichtig, sehr sanft, legte sie
ihr abklingendes TALENT auf die Gruppe neben dem
Stützpfeiler…
    … und wurde in der nächsten Sekunde in einen wirbelnden
Mahlstrom gerissen.
     
    Es war, als sei ihre Körperhülle aufgerissen und mit dem
gesamten Universum vollgestopft worden. Sterne schlugen auf sie ein,
weißglühende Flecken explodierten oberhalb eines sich
auflösenden Zentrums, wirbelten vorüber und verschwanden,
während neue aufflammten und ihr entgegenrasten. Dann schwebte
sie durch die Staubschleier, die den Kern verhüllten. Irgend
etwas war dahinter, in wachsamer Präsenz, und sie fiel ihm
entlang komprimierter Geodäten aus Zeit/Raum entgegen. Kein
Staub mehr. Aufgedunsene Sterne glühten um sie herum, in seltsam
brennender Fusion, ein Fluß schwerer Atome, die den reinen
Gesang Wasserstoff zu Helium, Wasserstoff zu Helium kontaminierten, Atome, weggeschleudert von Novae und Supernovae,
aufgesogen von dicht aufeinander gepackten Sternen, die in gemeinem
Rot oder Blau oder Weiß glühten. Braune und rote Zwerge
tanzten zur Begleitung. Fünffach- und Siebenfach-Systeme, die
komplizierte Gavotten wirbelten, waren die Norm in den dichtgepackten
Räumen. Und so wenige besaßen Welten, doch die erbitterte
Suche ging unermüdlich weiter, war der unstillbare Appetit des
Wurms im Kern, irgendwie schon sein eigenes Selbst verzehrend,
während sein stumpfer Sinn noch nach anderem Verschlingbaren
umhertastete.
    Dorthy zuckte zurück, floh zwischen die wirbelnden Sonnen.
War festgenagelt. Und fühlte ihr Selbst unter diesem
tödlichen Starren schrumpfen. Der glitzernde Kern rotierte
zwischen Schlieren interstellaren Staubs davon. Ordinäre Sonnen
zogen an ihr vorbei, blieben zurück, als sie sich wieder zu
ihrem Selbst verkleinerte und in die vertrauten Grenzen ihres
Körpers zurückfand.
     
    Rotes Licht stach grell gegen die Lider. Das dumpfe Pochen von
Kopfschmerzen! Ein starker Duft stieg ihr in die Nase.

Weitere Kostenlose Bücher