Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
alle anderen hier unten
festsaß, hatte sich verflüchtigt. Im Augenblick war sie
nur von nervöser Erwartung erfüllt. Die Navy war in der
stärkeren Position, konnte mit ihr machen, was sie wollte –
einfach alles.
Der Sergeant ignorierte sie weiterhin. Dorthy versuchte, diesen
blendenden Augenblick des Kontaktes während ihrer Landung zu
rekonstruieren. Sie bemühte sich gerade, die passenden Worte
dafür zu finden, als der Sergeant endlich seinen Schirm
abschaltete und auf den angrenzenden Raum deutete.
Colonel Chung war eine kleine feingliedrige Frau mit
kurzgeschnittenem Grauhaar und der Aura eines klerikalen Computers.
Ihr Büro wirkte kahl, es war nur mit einem Schreibtisch, zwei
Stühlen, einem Feldbett und einem Metallspind am Fußende
ausgestattet. Eine Figurine aus Jade auf der Schreibtischecke war die
einzige persönliche Note.
Colonel Chung nahm die Figur in die Hand und ließ ihre
Finger spielerisch darüber hinweggleiten, während sie
Dorthy höflich eine Tasse Tee anbot.
»Nein, vielen Dank!« Dorthy kam gleich zur Sache.
»Was ist mit der Expedition?«
»Ach ja, die Expedition. Tut mir leid, daß Sie aufgrund
Ihres Zustands nicht daran teilnehmen konnten. Duncan Andrews wird in
zwei Tagen zurück sein und Sie dann mit nach draußen
nehmen.«
»Können Sie mich nicht hinfliegen lassen?«
»Wir haben nur wenige Flugzeuge zur Verfügung, Dr.
Yoshida, und die meisten sind schon für Dr. Andrews’
Expedition im Einsatz. Wir hoffen, daß wir bald einige
dazubekommen. Ich fürchte, Sie werden also hier warten
müssen. Tut mir leid, daß es keine Möglichkeit gibt,
Ihren Fall zu beschleunigen.«
»Ich möchte nur schnellstens meinen Auftrag erledigen,
mit dem man mich hergeschickt hat, und dann wieder verschwinden. Und
genau das ist, wenn ich richtig verstanden habe, nicht möglich.
Wie komme ich wieder von dieser Welt herunter, Colonel
Chung?«
»Ich bin sicher, das Orbitalkommando hat die Sache im
Griff.«
»Aber Sie wissen es nicht. Hören Sie, Colonel, ich mag
vielleicht noch sehr jung sein, aber ich bin weiß Gott nicht
naiv. Vielleicht sollte ich mich doch besser gleich an Admiral
Orquito wenden.«
»Das denke ich nicht. Zwar unterstehe ich ihm direkt und
handle strikt nach seinen Befehlen, aber selbst ich kenne nicht alle
Details. Und möchte sie auch nicht kennen. Vorsicht, Dr.
Yoshida, lautet unsere Devise. Ich hoffe, auch Sie werden das noch
verstehen lernen.«
Wie mit tausend Nadelstichen wühlte der Kopfschmerz hinter
Dorthys Stirn, und des Colonels maliziöse Art brachte sie auf.
Sie wollte nicht nach dieser schrecklichen, grellen Intelligenz
suchen, nicht mal den Plan der Navy ausführen. Sie sehnte sich
nach der stillen Abgeschiedenheit, aus der man sie herausgerissen
hatte, nach der tiefen Besinnlichkeit, unberührt von wirren
menschlichen Affären. Statt dessen sah sie sich selbst Woche um
Woche daran verschwenden, einen sorgfältig programmierten
Schritt nach dem anderen zu tun – obwohl sie es besser wissen
sollte.
»Ich glaube, ich habe ein Recht darauf, mit dem Admiral zu
sprechen«, forderte sie matt.
»Wir hier unten befinden uns in einer Art Kriegszustand, Dr.
Yoshida. Wir haben nur einen einzigen Kanal zum Orbitalkommando
– und der ist ausschließlich verschlüsselten und
autorisierten Nachrichten vorbehalten.«
»Ich verstehe.« Man brauchte Dorthy nicht zu sagen, wer
die Meldungen autorisierte. »Nun, Colonel, ich möchte
nicht, daß Sie wegen mir etwas Unerlaubtes tun. Ich erwarte
nicht mal, daß Sie sich für mich aus Ihrer Gruft hier
herausbemühen.«
»Wir müssen sehr vorsichtig sein, Dr. Yoshida. Wir haben
gerade mal einen Fuß auf diesen Planeten gesetzt und noch nicht
identifizieren können, wem oder was er gehört. Wenn es
diesen Jemand oder dieses Etwas überhaupt noch gibt. Dr. Andrews
glaubt, daß der Feind hier ausgestorben ist, nachdem er
P’thrsn eine Planetenform gegeben hat.«
»P’thrsn?« Das Wort klang wie eine Mischung aus
Spucken und Niesen.
Colonel Chung gestattete sich ein kurzes Lächeln. Dorthy
konnte sich den Grund denken. Schließlich wußte sie so
gut wie nichts über diesen Planeten. (Streng geheim – hatte man ihr erklärt, als sie nach Einzelheiten gefragt
hatte. Und: Sie sind ohnehin nur ein paar Tage dort. Und
bestimmt zum zwanzigstenmal: Machen Sie sich keine Sorgen. Man
wird gut auf Sie achtgeben.) Wenn sie also etwas wissen wollte,
mußte sie danach fragen. Der Colonel schien die Ironie der
Situation, eine
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