Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
ihre aktiven und ihre Ruhe-Perioden. Ich denke, das
hat etwas mit den längeren Tag- und Nachtphasen hier zu tun.
Schließlich haben sich diese Wesen ja nicht unter den hiesigen
Bedingungen entwickelt.«
»Zumindest nehmen wir das als ziemlich sicher an«,
fügte Chavez hinzu. »Doch wer will schon sagen, wie es da,
wo sie herkommen, ausschaut?« Er stemmte die Arme in die Seiten
und starrte über die Ebene zu dem schimmernden Wasserstreifen
hinüber, der wie ein blanke Kupfermünze am dunstigen
Horizont aufblitzte.
»Wie dicht kann ich an sie herangehen?« fragte
Dorthy.
»Das weiß ich wirklich nicht.« Marta
lächelte. »Näher als einhundert Meter würde ich
mich nicht heranwagen. Ich kann schon schnell laufen, und trotzdem
hätten mich die Männlichen fast erwischt, als ich mich
einmal einer Gruppe auf vielleicht siebzig, achtzig Meter
näherte.« Sie hob eine Hand, die rosarote Fläche nach
unten gerichtet, und ließ sie flattern. »So zittrig war
ich den ganzen restlichen Tag. Eine haarige Sache, meine Liebe. Aber
zumindest vor den Crittern brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Sie
sind nichts als Freßmaschinen. Es könnte zwar passieren,
daß sie Ihnen das Büschel Pflanzen, auf dem Sie gerade
stehen, unter den Füßen wegfressen. Aber das ist es auch
schon. Man muß ihnen nur kräftig aufs Maul schlagen, dann
trotten sie davon. Auch die Hüter halten sie so mehr oder
weniger unter Kontrolle.«
»Habt ihr immer noch keine Nachkommen, keine Kinder,
entdecken können?« fragte Andrews.
Marta zuckte die Achseln. Parallele Ritual-Narben zeichneten ihre
straffe schwarze Haut über den hohen Wangenknochen. »Bei
der ersten Gruppe befanden sich zwei Männliche, die
möglicherweise noch nicht ausgereift waren – oder einfach
nur einer anderen Art angehörten. Vielleicht Freiläufer. Da
gibt es eine Art, etwa so groß wie Affen, die meiner Ansicht
nach eine andere Spezies darstellt. Die Kreaturen pflegen die
Weibliche und die Männlichen, mit denen sie zur Zeit zusammen
ist. Könnten eine Art Schoßtier oder Symbionten sein,
vielleicht aber auch nur sehr, sehr junge Kinder. Zwischen ihnen und
den ausgewachsenen Männlichen gibt es offenbar keine andere
Altersklasse. Jedenfalls haben wir keine entdecken
können.«
Marta lächelte Dorthy zu. »Sollten Sie zufällig
Zeuge einer Geburt werden, während Sie draußen sind, geben
Sie Bescheid. Ich komme dann schneller gelaufen, als ich vor diesen
Männlichen geflüchtet bin.«
»Vielleicht legen sie Eier«, überlegte Chavez.
»Denn sie haben Kloaken wie die Vögel, keine sichtbaren
Genitalien.«
»Nur, daß wir bis jetzt nie ein Ei gesehen haben«,
ergänzte Marta. »Dafür aber viel Sex – bis jetzt
ohne Folgen. Vielleicht tun sie es nur zu gewissen Zeiten, vielleicht
ist es sozusagen saisonal bedingt. Oder sie gehen dazu in den Wald.
Der Planet hat eine Axialverschiebung, die aber hier am Äquator
kaum Auswirkungen haben dürfte. Trotzdem muß es definitiv
so etwas wie eine Regenzeit geben, sonst wäre die bewaldete
Bodenwelle drüben nicht von all diesen ausgetrockneten
Kanälen durchzogen. Gräbt man in einem, stößt
man bald auf Wasser. Wir befinden uns momentan nur mitten in der
Trockenzeit.«
»Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie ihre Herden
weitertreiben«, meinte Kilczer. »Weil die Plains
ausgedörrt sind.«
»So vertrocknet sind sie nun wieder auch nicht. Das
Grünzeugs auf dem Boden, dieser Grasersatz, hat Pfahlwurzeln,
die sehr tief reichen und dort unten eine Menge Feuchtigkeit
speichern. Es wächst sofort nach, wenn es von den Crittern
abgeweidet ist.« Chavez bohrte die Stiefelspitzen in den
staubigen Boden. »Schon nach wenigen Tagen merkt man nicht mehr,
daß eine Herde durchgezogen ist. Offenbar ist es sehr gutes
Futter. Selbst wir könnten davon leben, wenn man die
älteren Pflanzen aussondert. Sie sind voller Schwermetalle. Die
Critter fressen alles, aber die restliche Fauna begnügt sich mit
den Pflanzenspitzen.«
»Die Hüter dagegen sind reine Fleischfresser«,
ergänzte Marta.
Chavez grinste. »Wußten Sie das nicht?«
Dorthy schaute die beiden abwechselnd an. Die Art, wie sie dicht
beieinander standen, sich gegenseitig verschmitzte Blicke zuwarfen
und gegenseitig die Ausführungen des anderen
ergänzten…
Sie verstand nun, warum Andrews ihnen den Spitznamen ›die
Zwillinge‹ gegeben hatte – und war sofort ein wenig
eifersüchtig auf die offensichtliche Vertrautheit zwischen den
beiden. Es war schon ein großes Glück,
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