Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
was die
Einöde bot, zu leben, ohne einer allergischen Reaktion, einem
Histamin-Schock zu erliegen oder einfach an Erschöpfung und
Hunger zu sterben. Aber bis nach Camp Zero waren es mehr als
fünfhundert Kilometer quer durch die leere Wüste. Es gab
keine andere Möglichkeit für sie.
Kilczer hatte sich etwas abseits hingesetzt. Die eine Hand
stützte sich auf den Kolben des Gewehrs, mit der anderen fuhr er
sich mehrmals durch das widerspenstige Haar. Nervös, am Rand
seiner Kraft, starrte er zu den niedrigen Klippen hinüber. Sein
Uniform-Overall war auf dem Rücken über und über mit
Sand bedeckt.
»Ich habe mich genug ausgeruht«, meinte Dorthy
schließlich. »Gehen wir weiter.«
Mühsam richtete er sich auf, beugte sich plötzlich vor
und hustete in seine vorgehaltene Hand. Danach spuckte er auf den
Boden.
»Ich könnte jetzt einen ganzen Eimer Wasser leertrinken
– wenn wir Wasser hätten.«
Dorthy fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen.
»Marta Ade sagte mal was von Wasser unter einem ausgetrockneten
Flußbett – wie diesem beispielsweise.«
»Das war an einer anderen Stelle. Außerdem – wie
sollen wir herankommen?«
»Wir graben mit den Händen. Kommen Sie, einen Versuch
ist es zumindest wert.«
Sie kniete sich hin und begann mit den Händen Sand und
Gestein beiseite zu schieben. Nach einem Moment kam Kilczer
herüber und half ihr dabei. So gruben sie ungefähr
fünfzehn Minuten. Kilczer benutzte zum Schluß ein Messer,
um die gefrorene Unterschicht zu lockern, und Dorthy räumte das
Geröll beiseite. Das Loch wurde immer größer, war
schließlich zwei Meter breit und einen Meter tief. Unten gab es
etwas Feuchtigkeit – zu wenig Flüssigkeit, um sie aufnehmen
zu können. Dorthy lehnte sich zurück und kaute an einem
eingerissenen Fingernagel herum.
»Es hat keinen Sinn«, brummte Kilczer
enttäuscht.
»Ich habe da mal von einem alten Trick gelesen. Drüben
vor den Klippen gibt es sicher Pflanzen, die die Critter nicht
zertrampelt haben. Sehen Sie sie? Sie müssen den geringen
Wasservorrat in der Tiefe anzapfen, um leben und wachsen zu
können.«
»Das ist richtig. Aber die Möglichkeit eines
allergischen Schocks…« Kilczer wischte sich die Hände
an den Hosenbeinen ab, klappte das Messer zu und steckte es ein.
»Was sonst sollen wir essen? Früher oder später
müssen wir sie probieren. Außerdem – hat nicht einer
der… hat Marta Ade nicht gesagt, daß die Pflanzen
eßbar seien?«
»Sehr proteinreich, mit hohen Schwermetall-Konzentrationen.
Aber wenn wir nichts essen, sterben wir ohnehin.«
»Sehen Sie, das ist die richtige Einstellung.«
Dorthy riß eine Handvoll weicher Flechten aus dem Boden.
Dunkler Saft rann über ihre Finger. Als sie ihn ablecken wollte,
hielt Kilczer ihr Handgelenk fest. »Warten Sie. Nehmen Sie
das.« Er riß ein Stück orangefarbenes Zelttuch aus
dem Beutel, wickelte es um die ausgerissenen Stengel und preßte
sie darin zusammen. Klare Flüssigkeit sickerte durch das Gewebe.
Dorthy beugte sich vor und saugte etwas davon auf. Der Saft
tröpfelte in ihre ausgedorrte Mundhöhle, bitter, aber
hochwillkommen. Als nichts mehr aus dem Tuch kam, reichte sie es
Kilczer zurück. Er riß ein paar neue Flechten aus dem
Boden. »Nicht zu viel auf einmal«, mahnte er.
»Für alle Fälle. Kommen Sie, wir gehen weiter. Wenn
wir müde sind, machen wir halt. Wie fühlen Sie sich, Dr.
Yoshida?« Er sah ihr in die Augen. »Ihre Pupillen haben
beide normale Größe. Wahrscheinlich haben Sie keine
Gehirnerschütterung.«
Vorsichtig berührte Dorthy die Schwellung am Hinterkopf.
»Es wird schon gehen. Kommen Sie, brechen wir auf, ehe wir hier
noch Wurzeln schlagen.«
Das Gehen wurde zu einem automatischen Vorgang. Nach einer Weile
konnte sich Dorthy nur noch auf den nächsten Schritt
konzentrieren – und darauf, ihre Stiefel genau in den
geriffelten Abdruck zu setzen, den Kilczer dicht vor ihr in den Sand
gedrückt hatte. Sie machten immer häufiger Rast, tranken
etwas von der Flüssigkeit in den Pflanzenstengeln und dachten
dabei nicht mehr an mögliche Reaktionen ihres Immunsystems auf
die außerirdischen Proteine, wollten nur noch ihren brennenden
Durst löschen.
Der Canyon verengte sich, die Wände wurden steiler. Immer
noch folgten sie der Spur der Critter-Herde. Sie sahen keine Kadaver
mehr. Kilczer meinte, daß inzwischen die schwächeren Tiere
ausgesondert worden waren. Während sie hinter ihm herstapfte,
empfand Dorthy ein schwindelerregendes Gefühl der
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