Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
erinnern – an eine
Schulweisheit über Wasserläufe in der Wüste und Regen.
Flutartige Überschwemmungen! Sie zupfte Kilczer am Arm.
»Wir müssen höher hinauf. Kommen Sie!«
Er machte sich los und reckte die Schultern. »Sind Sie
verrückt? Wir warten hier, bis der Regen aufhört.«
»Wir befinden uns in einem Flußbett, Sie
Narr!«
Sein Gesicht zeigte Verblüffung. Dann verstand er.
Kleine Wasserrinnsale suchten sich ihren Weg über den nackten
Fels, und immer wieder glitt Dorthy auf den flachen Sohlen ihrer
Stiefel aus und mußte sich nach vorn werfen, um nicht nach
unten wegzurutschen. Ihre Brüste, Hüften und Knie bekamen
Prellungen und Schrammen, ihr Overall triefte bald vor
Nässe.
Kilczer mit dem Gewehr auf dem Rücken und seiner Tasche kam
auch nicht schneller voran. Sie hatten den Hang kaum zur Hälfte
geschafft, als Dorthy ein seltsames Grollen vernahm. Der Fels unter
ihren Händen bebte plötzlich. Sie klammerte sich fester an
ihn und lehnte ihren Kopf an seine kalte, glitschige Oberfläche.
Regentropfen rollten über ihre Lider und trübten ihre
Sicht. Das Beben war zu einem so lauten Tosen angeschwollen,
daß sie nicht mehr unterscheiden konnte, ob sie es hörte
oder es am ganzen Körper fühlte…
Eine meterhohe Wasserwand schoß um den Hang herum in den
Canyon. Weiße Gischt schäumte auf, als sie gegen die
Felswand brandete. Herabstürzende Felsen versanken mit hohen
Fontänen in den brausenden Wirbeln. Die Flutwelle zerteilte
sich, die zweite Welle brach sich am Fuß der ersten und
verursachte einen kreisenden Mahlstrom aus gelbbraunem Wasser.
All das geschah innerhalb eines Augenblicks. Im nächsten
spülte die Flut den Boden unter Dorthys Füßen weg.
Sie verlor den Halt und klammerte sich verzweifelt mit den Armen an
den vorspringenden Fels. Kilczer, der schon etwas höher hinauf
geklettert war, langte blitzschnell nach unten und packte den Kragen
ihres Overalls. Die reißende Flut zerrte an Dorthys Beinen. Mit
aller Kraft zog sie sich nach oben. Schmerzwellen tobten durch ihre
Arme. Sie krallte sich mit den Händen ins Erdreich und schob
sich weiter hinauf, weg von den wirbelnden Wassern, die nun die
trübe Oberfläche einen tiefen, reißenden Flusses
bildeten.
Schließlich erreichten beide die Hügelkuppe, und Dorthy
sank auf der mattenartigen Vegetation zusammen. Der Regen
durchnäßte ihre verschmutzten Haare, tropfte von ihrem
verschmierten Overall. Regenschleier trieben über die offene
Fläche und zerrissen zwischen den Bäumen weiter oberhalb.
Die Sonne war nur noch ein riesiger Lichtfleck in den
niedrighängenden schwarzen Wolken.
Kilczer bückte sich und stellte Dorthy auf die Beine.
Gemeinsam taumelten sie voran, auf den schützenden Wald zu,
wobei die Füße fast bis zu den Knöcheln in den vom
Regen überfluteten Flechten versanken. Die dichten Kronen der
Bäume boten etwas mehr Schutz vor dem Regen. In kleinen
Bächen rann er die Stämme herunter, durchweichte den
Nadelteppich und tropfte von den gewölbten Wurzeln, über
die Dorthy und Kilczer in der fast undurchdringlichen Finsternis
immer wieder stolperten.
Nach dem dritten Sturz blieb Kilczer einfach liegen und begann zu
lachen. Dorthy hockte sich auf eine nasse Baumwurzel und wischte sich
übers Gesicht. »Was ist so komisch?«
»Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich
meinen, daß es jemand wirklich darauf anlegt, uns zu
kriegen.« Sein Lachen mündete in einen quälenden
Husten. Sie hörte, wie er rasselnd Luft holte und ausspuckte.
»Das ist verrückt. Wirklich – eine verrückte
Kiste.«
Dorthy lehnte sich an den Baumstamm. Wasser rann ihr den
Rücken herunter, aber sie war schon so naß, daß es
ihr nichts mehr ausmachte. »Sie wußten es«, sagte sie
nach einem Moment des Schweigens.
»Wer?«
»Die Hüter. Sie brachten ihre… ihre Kinder
rechtzeitig aus dem Canyon, und auch dieser Kokon war hoch oben in
den Klippen abgelegt worden. Die Flut konnte ihm dort nichts
anhaben.«
Kilczer hustete erneut. »Das ist nur Teleologie, Instinkt,
Fügung. Nicht Intelligenz. Sorgen Sie dafür, daß Ihr
TALENT einwandfrei arbeitet, und beweisen Sie Ihre These! Dann will
ich sie gerne glauben. Aber ehrlich gesagt bin ich nicht der Ansicht,
daß die Hüter die Ökologie erfunden haben, sondern
sie sind nur ein Teil von ihr. Meine Aufzeichnungen haben das schon
bestätigt. Sie sind nicht intelligent – kaum
höherstehend als ein unmodifizierter Schimpanse. Andrews hatte
unrecht. Sie sind nicht der FEIND. Sie sind
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