Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
des Unwetters ihren Augen verborgen
hatte: eine verwischte Spur, die den breiten Landstreifen zwischen
der Schlucht und dem Waldsaum durchschnitt. Es regnete noch immer
– ein dünner Nieselregen trieb wie ein Nebelschleier durch
die Luft. Die schwarze Wolkendecke war aufgerissen und gab den Blick
frei auf das kalte rote Feuer der Sonne.
Kilczer kreuzte die Spur, die die Herde hinterlassen hatte, und
warf einen Blick in den Canyon hinunter. Dorthy folgte ihm. Schwarze
Wassermassen gurgelten zwischen den steilen Felswänden hindurch.
Von einem Pfad war nichts mehr zu sehen.
Während sie der Spur der Herde folgten, fragte Kilczer:
»Was meinten Sie mit dem, was Sie über Zauberei, über
Ihr TALENT sagten?«
»Was wissen Sie schon darüber, wie mein TALENT
funktioniert?«
Kilczer trug das Gewehr geschultert und hatte den Arm quer
über den Lauf gelegt. Er hob den Blick und schaute darüber
hinweg zu ihr herüber. »Wollen Sie mir jetzt etwas
über den Effekt der Quantenlehre erzählen, oder mir
erklären, wie Sie das durch ihn ausgelöste Synapsenfeuer in
Ihr eigenes Sensorium übertragen? Oder sollte ich Ihnen besser
etwas über Ihre Grenzen erzählen, zum Beispiel über
Ihre Unfähigkeit, sich Zugang zu Langzeit-RNA-Erinnerungen zu
verschaffen? Mein Gerät zeigt dagegen wenigstens die
Speichermengen an, und den Standort. Ich könnte Ihnen über
jedes von beiden mindestens eine Stunde lang einen Vortrag
halten.«
»Da bin ich sicher.«
»Also wissen Sie, daß ich es nicht für Zauberei
halte.«
»Aber Sie benehmen sich, als sei es das. Merken Sie das
nicht? Vielleicht war Ihnen das nicht bewußt, aber Sie
erwarteten von mir, daß ich alles über die Hüter
herausfinde, und das in Minutenschnelle, durch ein wenig
Augenblinzeln und Konzentration. Duncan Andrews dachte ebenso, obwohl
gerade er es eigentlich besser wissen müßte. Mein Problem
ist, daß ich nie zuvor mit solchen Kreaturen zu tun hatte. Ich
weiß nicht, ob sie intelligent sind oder nicht. Ich vermag
nicht mal irgendwie einen Sinn in ihnen zu sehen. Wenn ich also beim
ersten Versuch nichts gefunden habe, heißt das noch lange
nicht, daß es nichts zu finden gibt.«
»Vielleicht. Aber Sie erfassen bei den Hütern nicht
diesen grellen Schimmer von Intelligenz, den Sie nach eigenen
Aussagen jetzt schon zweimal gesehen haben. Beim Eindringen in ihr
Bewußtsein sind Sie nicht umgekippt.«
»Nein, das nicht.«
»Also handelt es sich vielleicht um etwas anderes. Um etwas,
das nichts mit den Hütern zu tun hat. Vielleicht ist es der
FEIND – nicht die Hüter.«
Vier Schritte weiter fragte Dorthy: »Glauben Sie wirklich,
daß es hier eine verborgene Zivilisation gibt?«
»Sind Sie nicht schon auf etwas gestoßen, das darauf
hindeutet?«
»Schauen Sie sich doch um. Denken Sie an die Technologie in
den Asteroiden um BD Zwanzig. Sie haben Raumschiffe in den
verrücktesten Ausführungen, Stützpunkte, Waffen. Was
ich Ihnen jetzt verrate, ist als geheim eingestuft. Aber es macht
nichts, wenn auch Sie es wissen: Der FEIND ist in der Lage, eine sich
selbst erhaltende Plasmakugel zu bauen. Fliegt sehr schnell, mit
mindestens einem Viertel Lichtgeschwindigkeit. Das ist es, was so
viele unserer Schiffe dort im Anziehungsfeld von BD Zwanzig
ausschaltet…
Aber hier, auf diesem Planeten? Im besten Fall ist das hier eine
Art Park, verlassen, die Besitzer tot oder sonstwo. Im schlimmsten
Fall sind es die Überreste von etwas Größerem, wie
Duncan Andrews glaubt. Ich glaube es nicht. Denken Sie doch mal nach,
Dr. Yoshida. Wenn diese Hüter der FEIND und nur degeneriert
sind, wieso ist dann die Burg wieder plötzlich zum Leben
erwacht? Major Ramaro hat recht. Der FEIND ist hier –
irgendwo.«
»Ich weiß nicht.« Dorthy ging ein paar Schritte
weiter. »Aber warum beschäftigt Sie das eigentlich so
stark?«
»Wegen der Möglichkeit, etwas Neues, Umwerfendes zu
entdecken. Sicher nicht wegen dieses Spazierganges hier. Es ist eine
große Ehre, zur Teilnahme an dieser Expedition aufgefordert
worden zu sein. Aber ich weiß ja – Sie denken darüber
anders.«
»Aber ihr wolltet doch alle herkommen – all die
Wissenschaftler hier. Trotz eures Murrens über die
Beschränkungen durch die Navy seid ihr doch alle freiwillig
hier.«
»Die Erforschung des Nervensystems ist meine Lebensaufgabe,
Dr. Yoshida. Ich könnte meine Forschungen am Menschen betreiben.
Aber das tun viele. Oder auch an Tieren, aber dabei gibt es nur noch
wenige Problemstellungen. Ich habe sechs Wochen
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