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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Boden und Luft erzittern. Die Luftwirbel, die das
stürzende Wasser erzeugte, schüttelten die steifen
Nadelbüschel an den Zweigen der Bäume. Wolken von Gischt
trieben wie Nebelschleier vorüber und durchnäßten
alles.
    Kilczer ging zum anderen Ende des Absturzes und spähte durch
eine Lücke im Gehölz. Wasserschleier hüllten ihn ein,
und er hustete.
    Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Brust, als wolle
er etwas daraus vertreiben. Ein wenig abseits stand der Hüter
bis zu den Knien im Gras und sah zu Dorthy herüber.
    Kilczer drehte sich um und schüttelte, noch immer hustend,
das schwarze Haar aus der Stirn. Nach einer Weile sagte er: »Ich
denke, wir sollten uns etwas ausruhen.« Wieder begann er zu
husten und beugte sich dabei leicht über seine Hand.
    »Wir sollten weitergehen«, versuchte Dorthy mit lauter
Stimme das Brausen des Wasserfalls zu übertönen. Und im
gleichen Moment traf sie das Vorhaben des Hüters wie ein Blitz.
Laut schreiend rannte sie auf Kilczer zu. »Das Biest will
dich…«
    Es tat es.
    Mit gebeugtem Kopf und flatternder Kapuze sprang der Hüter in
großen Sätzen über die Lichtung. Ehe Kilczer sich
aufrichten konnte, warf sich das Wesen gegen ihn, katapultierte ihn
über den Rand der Klippe und stürzte sich gemeinsam mit ihm
in den Abgrund.
    Dorthy sah gerade noch, wie sie beide weiter unten an dem steilen
Hang gegen einen Baum prallten, sich um die eigene Achse drehten und
dann in der kochenden Gischt verschwanden. Verzweifelt starrte sie
hinter ihnen her und rief immer wieder Kilczers Namen.
    Erst viel später bemerkte sie, daß sie in ihren
durchnäßten Kleidern vor Kälte zitterte. Ein letztes
Mal rief sie Kilczers Namen, doch ihre Stimme wurde vom Donnern des
Wasserfalls verschluckt. Ihr Atem ging in heftigen Stößen,
ihr Hals schmerzte. Sie hob das Gewehr auf, das sie beim Laufen
fallengelassen hatte, und bemerkte dabei die drei Spuren im Gras, die
dunkler leuchteten, wo die Halme niedergetreten waren: Kilczers Spur,
die des Hüters und ihre eigene. Erst jetzt wurde ihr richtig
bewußt, daß sie allein war.
    Lange Zeit hockte Dorthy am Rand der kleinen Lichtung und starrte
in die schäumenden Fluten am Fuß des Wasserfalls, in die
dunklen, reißenden Wasser des Flusses zwischen den hohen
Felswänden. Der Wind zerrte an ihrem Overall. Immer wieder
ließ sie in Gedanken die Sekunden vor der Aktion des
Hüters ablaufen: die warnende Information, die ihr
geschwächtes TALENT viel zu spät empfangen hatte, der
Angriff…
    Aber sie konnte sich nicht erinnern, davon etwas im
Bewußtsein des Hüters gelesen zu haben – was sie
etwas beruhigte. Denn es bedeutete, daß sie selbst bei voller
Aktivierung ihres TALENTS den Anschlag nicht hätte verhindern
können.
    Trotzdem – irgend etwas, das sie nicht näher beschreiben
konnte, sagte ihr, daß es vielleicht doch nicht so war. Das
Verhalten des FEINDES bei BD Zwanzig fiel ihr wieder ein, die Art,
wie seine Leute dort Selbstmord begingen, wenn eine Gefangennahme
unausweichlich schien. Jedes manövrierunfähige Schiff,
jeder eingenommene Asteroid sprengte mit einem gewaltigen Feuerschlag
all seine Energiequellen und nahm dabei sehr häufig die Eroberer
mit in den Tod. Der FEIND… der FEIND… der FEIND…
    Aber diese neue Generation von Hütern, die mit
Steinwerkzeugen plumpe Boote bauten, denen andererseits aber jegliche
Ansätze zu einer Sprache fehlten, konnten doch nicht der FEIND
sein.
    Der FEIND…
    Wer oder was er auch sein mochte, er wich ihr aus. Doch lenkte ihr
Grübeln sie wenigstens von dem schrecklichen Moment ab, in dem
der Hüter sich auf Kilczer stürzte, von dem Anblick, wie
Kilczers Kopf hochruckte, sein weißes Gesicht sich vor Schreck
verzerrte, wie der Mensch und der Alien gemeinsam über den
Klippenrand stürzten. Von dem Augenblick seines Todes. Er
mußte tot sein, sagte sie sich selbst und schaute
flußabwärts. Sie hatte seinen Sturz mit eigenen Augen
beobachtet. Selbst ein Unverletzter könnte den Wasserwirbeln
unter dem Fall nicht lebend entkommen. Trotzdem wollte sie es nicht
wahrhaben und erwartete unbewußt, Kilczer jeden Moment am Rand
der Lichtung auftauchen zu sehen, wobei er sich müde
lächelnd das schwarze Haar aus der Stirn streichen
würde…
    Mehr als zwei Stunden vergingen, ehe Dorthy widerstrebend die
kleine Lichtung verließ. Der Wald stieg weiter an. Bald war das
Tosen des Wasserfalls nur noch ein dumpfes Rauschen. Der
durchnäßte Overall klebte an ihrem Körper, und ihr
war

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