Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
beide
wachsam.
»Du hast wohl auch angenommen, ich wollte ihn
töten«, ächzte Kilczer und hielt sich die Seite.
»Das Gewehr, bitte.«
»Nur, wenn du den Hüter am Leben
läßt.«
»Ich will ihn nicht töten.« Er feuerte einen
einzelnen Schuß ab. Das flache Krachen war im Tosen des
Wasserfalls kaum zu hören. Der Hüter zuckte zusammen,
rührte sich aber nicht von der Stelle. Wütend und
ungeduldig packte Dorthy das Gewehr. Überrascht
überließ Kilczer ihr die Waffe.
»Du steigst sofort aus dem Boot«, befahl sie barsch.
»Na los!«
»Was… was willst du…?«
»Nun mach schon!«
Er ergriff den Tuchbeutel und sprang aus dem Boot. Dorthy zielte
auf die überlappenden Planken vor den Füßen des
widerspenstigen Hüters und feuerte eine Geschoßsalve ab.
Holzsplitter flogen umher, und der Hüter sprang blitzschnell auf
die Füße. Dorthy feuerte erneut auf die Planken im Heck.
Der Kolben hämmerte gegen ihre Schulter, und mit beinahe
physischer Erleichterung sah sie, wie Wasser durch die
Einschußlöcher im Bootsrumpf sprudelte. Sie stieg in das
hüfthohe, kalte Wasser und watete zu Kilczer ans felsige Ufer.
Das Boot begann mit dem Heck voran zu sinken.
Einen Augenblick später sprang der Hüter trotz der auf
den Rücken gebundenen Hände mit einem geschmeidigen Satz
aus dem Boot. Er schaute flußabwärts, dann zu Dorthy
hinüber, auf das Gewehr in ihren Händen. Gleichmütig,
als habe er resigniert, watete er dann ans Ufer.
Das Boot glitt weiter in die Strömung hinaus. Nur noch die
Heckplattform und die Ruder ragten aus dem Wasser. Ein Ruder
löste sich, wirbelte herum und verschwand in der Strömung.
Bald war von dem Boot nichts mehr zu sehen.
»Schade, daß wir es aufgeben mußten«, meinte
Kilczer. »Der Weg wird für uns jetzt wieder
beschwerlicher.« Er sah den steilen, mit Buschwerk und
Felsbrocken übersäten Hang hinauf, der bis zum Rand der
Klippe hochreichte – einige hundert Meter über ihren
Köpfen.
Dorthy konnte die Qual des Hüters spüren.
»Können wir ihn nicht einfach freilassen?«
»Damit er dann zu seinen Freunden rennt und ihnen zeigt, in
welche Richtung wir marschieren? Das halte ich nicht für
sonderlich klug.«
»Aber wir können ihn doch nicht den ganzen Weg bis zur
Burg mitschleppen!«
»Ist das nicht genau der Ort, zu dem auch er möchte?
Oder willst du ihn lieber gleich hier erschießen?«
»Natürlich nicht, Arcady. Ich weiß nur nicht, ob
wir ihn den ganzen weiten Weg lang in Schach halten
können.«
»Versuchen wir es!« Kilczer sah den Hüter an.
»Komm hoch, es geht weiter.« Er machte ein Handbewegung.
»Auf! Verstehst du mich nicht? Blödes Vieh! Wenigstens hat
es Respekt vor dem Gewehr. Ich gehe voran, Dorthy. Du achtest darauf,
daß unser Freund uns auch wirklich folgt.«
Zuerst war der Weg leicht. Große Felsen formten
unregelmäßige Treppenstufen wie für einen Riesen. Die
Lücken dazwischen waren gefüllt mit Geröll und Sand.
In Felsspalten und Löchern wuchsen federartige Gewächse,
dunkel und zäh wie altes Leder, und boten ausreichenden Halt.
Hier und da hatte sich in den Bodenvertiefungen Wasser angesammelt.
An deren Rand bedeckten Flechten den Boden und quietschten naß
unter den Füßen. Der Hüter ging vor Dorthy her und
hatte zur Balance die Ellbogen zur Seite gereckt. Die Hände
waren immer noch auf den Rücken gefesselt. Kilczer ging voraus,
drehte sich aber von Zeit zu Zeit um und versicherte sich, daß
der Hüter noch hinter ihm war. Sein weißes Gesicht war im
violetten Halbschatten nur ein heller Heck. Als der Hüter einmal
stehenblieb, schrie er ihn an und tat so, als wolle er einen Stein
nach ihm schleudern. Die Kreatur zuckte nicht zurück, senkte
aber den Kopf in die Kapuze, als Kilczer den Stein fallen ließ,
und kletterte weiter. Seine Krallen kratzten über den Fels oder
bohrten sich tief in das Geröll.
Weiter oben machten lose Geröllhalden dann den Aufstieg
beschwerlicher. Immer wieder rutschten Dorthys Füße weg.
Durch die Waffe fiel es ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten, und
sie schürfte sich die Innenseite der freien Hand an den
scharfkantigen Steinen auf.
Der Anblick, der sich ihnen oben auf der Klippe bot,
überraschte sie. Vor ihnen lag eine weite, saftiggrüne
Graslichtung, von Pinien umsäumt. Kaum hundert Meter entfernt
blitzte der Wasserfall durch die Bäume, die sich zum Teil
über den Absturz hinausbeugten. Das Wasser glitt wie schimmernde
Seide über den Rand, sein ständiges Brausen und Tosen
ließen
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