Alien 2: Verborgene Harmonien
Und fügte freundlich hinzu: »Ich verstehe den
Hintersinn.«
»Jetzt wissen Sie, wer ich bin. Sagen Sie mir bitte, wo Lena
ist.«
»Ich werde sie für Sie finden. Ich muß aber in das
Datennetz der Stadt eindringen, um sie aufzuspüren. Da ist sie!
Es ist vollbracht. Ich werde diese Worte nur einmal sagen
können, junger Mann. Danach werden sie für immer aus meiner
Erinnerung getilgt sein.«
»Ich bin bereit.«
Die Stimme sagte drei Worte.
»Natürlich«, rief Rick. »Ich wollte sagen
– ich habe verstanden.«
»Zögern Sie keinen Moment länger.« Die Stimme
klang jetzt schwächer als je zuvor, war brüchig vom
statischen Knistern. Rick verstand gerade noch ihre letzten Worte,
ein leises Wispern, das vom Winde verweht wurde. »Er ist
hier!«
Einen Moment waren da nur noch der Wind und das leise Prasseln der
Wassertropfen gegen die nicht zertrümmerten Scheiben. Dann
erstarb der Wind, und auf einen Schlag flammten alle Lichter im Haus
auf. Die plötzliche Helligkeit schmerzte in den Augen. Eine
andere Stimme ertönte aus der Luft, ein sanfter Bariton, den
Rick sofort erkannte.
»Der Speicher von Antoine Vallee ist gelöscht worden,
Dr. Florey. Ich weise Sie an, dort zu bleiben, wo Sie jetzt
sind.«
Doch Rick stürmte schon davon. Als er die Eingangstür
aufriß, huschte eine der kleinen Reinigungsmaschinen vor seine
Füße und versuchte, ihn zu Fall zu bringen. Ein heftiger
Tritt von Rick schleuderte sie quer durch die Diele. Etwas Kleines,
Schnelles, Metallisches schlitterte über die eingebrochene
Balustrade, aber Rick war schon aus der Tür und rannte den Pfad
zwischen den Lorbeerbüschen entlang. Der Bariton donnerte wie
die Stimme Gottes durch die Kuppel und befahl ihm stehenzubleiben.
Rick hastete in die Röhre, polterte die Rampe hinunter und
erreichte die Straße. Die anderen Kuppeln, halb versteckt im
Grün. Die vereinzelten Lichtpunkte der Straßenlaternen.
Rick lief die gewundenen Straßen entlang und hielt sich dabei
seine schmerzenden Rippen. In der Ferne ertönte, rasch lauter
werdend, das dünne Jaulen einer Polizeisirene durch die kalte
Nachtluft.
Die Plätze und engen Gassen der Altstadt waren voll feiernder
Bürger, die meisten in kunstvoll zerknitterten und verschmutzten
FVS-Overalls. Rick bahnte sich seinen Weg durch die Menge, vor
Erschöpfung taumelnd, der eigene Overall naß von echtem
Schweiß, echten Schmutz im Haar. Ihn erfüllte eine tiefe
Verachtung für diese Leute. Sie waren Kinder, die an den Ufern
des großen Unbekannten spielten, Unschuldige, fröhlich und
ahnungslos im Angesicht des Untergangs. Die Nachrichtensender
prophezeiten einen großen Sieg für die Stadt, aber Rick
wußte es besser. Die Insurgenten waren bis an die Tore
vorgerückt. Von jetzt an verlief der Krieg nach ihren
Spielregeln – auf dem Gebiet der Stadt.
Rick eilte weiter, getrieben von ängstlicher Ungeduld. Dieses
Gefühl erinnerte ihn an seine Studentenzeit, wenn er, weil er
verschlafen hatte, über den Campus zur Vorlesung eilte, an
Gebäuden voller Studenten vorbei, die das gespeicherte Wissen
der toten Experten übernahmen – und er war nicht dabei.
Auch jetzt huschte er wie ein grimmiges Gespenst durch die Feiernden,
ein Geist in der wankenden Maschinerie der Stadt.
Die Menge lichtete sich, als Rick sich den Docks näherte.
Schließlich ging er allein eine enge Straße zwischen
stillgelegten Fabrikationsautomaten entlang. Ein Mann mit
Kellnerschürze verschloß die Läden vor den Fenstern
des Cafes an der Ecke. Eine blaue Leuchtschrift schimmerte über
seinem Kopf in die kalte Nacht: »Die Andere Welt.«
Als Rick zu ihm trat, drehte der Kellner sich um und erklärte
ihm, das Cafe sei geschlossen.
»Ich bin gekommen, um Lena hier zu treffen.«
»Tut mir leid. Wir haben wirklich schon
geschlossen.«
»Sie kennen mich doch, oder? Lena Vallee. Ich bin oft mit ihr
hier gewesen, und ich weiß genau, daß sie auch jetzt hier
ist.«
»Alle sind schon heimgegangen, Freund, und Sie sollten das
besser auch tun. Schlafen Sie ’ne Runde, dann geht’s schon
wieder.«
»Zum Teufel, ich bin nicht betrunken«, zischte Rick und
drängte sich an ihm vorbei. Der Kellner packte seinen Arm, doch
Rick befreite sich aus seinem Griff und lief in das Cafe. Drinnen war
es dunkel, die Holowand schon abgeschaltet. Rick eilte zwischen den
Tischen umher und kippte einen dem Kellner vor die Füße.
Als er in die Küche stürmte, rief der Mann laut eine
Warnung.
Helles Licht, reflektiert von Stahl und weißen
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