Alien 2: Verborgene Harmonien
Miguel sah einen Moment zu ihm hinüber. Als er den
Blick wieder senkte, war der Körper des Abo verschwunden. Miguel
fuhr erschrocken herum, leuchtete mit der Lampe in die Runde und
suchte dann wieder den Felsgrund im Wasser ab. Plötzlich
hörte er ein klatschendes Geräusch, und der Sklave taumelte
nach vom und versuchte, den Abo zu packen, der ihm auf den
Rücken gesprungen war. Die dünnen Beine klammerten sich um
die Hüften des Sklaven, die Hände krallten sich in das
Gesicht. Der Sklave stolperte. Es gelang ihm noch, die Hände des
Abo wegzuschlagen, ehe er das Gleichgewicht verlor. Gemeinsam
stürzten sie krachend auf den Beckenrand und rollten im
aufspritzenden Wasser umher.
Miguel wurde von einer seltsamen Ruhe ergriffen. Er drehte sich
um, watete aus dem Teich und begann den Cryostat am Beckenrand
zusammenzupacken. Ruhig schob er das Aufnahmeteil nach innen und
verriegelte den Deckel, schaute sich auch nicht um, als der Abo dem
Sklaven mit einer einzigen Bewegung das Genick brach. Er warf sich
die Gurte des Gerätes über die Schulter und hob es auf den
Rücken. Im Geist schrie er dabei laut, doch aus seinem Mund
drang nicht der leiseste Ton. Und dann war er wieder frei. Irgendwie
schaffte er es, in der Finsternis durch den Bach zum
Höhleneingang zu waten. Er tastete sich mit der rechten Hand an
der Felswand entlang. Der Cryostat drückte gegen sein
Rückgrat. Jeden Moment rechnete Miguel mit dem Angriff eines
Abo.
Das Glucksen des Baches veränderte sich, Miguels Hand
faßte ins Leere. Schemenhaft tauchte der Felsbuckel am Eingang
vor ihm im Dunkel auf, und er wand sich vorsichtig um ihn herum. Der
Cryostat kratzte leicht über die rauhe Felswand.
Nach ein paar weiteren Schritten prallte Miguel mit dem
Körper gegen den Korb, der am Seil der Wagenwinde befestigt war.
Dankbar griff er danach. Sein ganzer Körper bebte vor
Anstrengung. Sein Kopf fühlte sich an, als sei er mit schwarzer
Wolle gefüllt. Aus dieser formlosen Finsternis ertönte die
vertraute Stimme: – Der erste Teil wäre geschafft,
Miguel. -
»Was willst du eigentlich noch? Jesus, war das noch immer
nicht genug?« Die heisere Stimme des Dingo hallte laut durch die
enge Klamm.
- Der erste Teil ist vorbei. Jetzt heißt es erst einmal
warten. Aber bald wird die Stadt fallen, Miguel. Und dann beginnt der
zweite Teil. -
Miguel konnte nicht mehr antworten. Der Blaue Bruder hatte ihn
wieder unter seine Kontrolle genommen. Und während der
Körper des Dingo arbeitete, den Cryostat in den Korb hob und die
Stoßpolsterung befestigte, redete die Stimme in seinem Kopf in
einem fort, beharrlich und eindringlich. Es gab keine
Möglichkeit, ihr zu entrinnen, während sie Miguel ihren
verrückten, phantastischen Plan darlegte.
21 Geister in der Maschine
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Die Kuppel, die das gotische Phantasiehaus von Lenas Vater
schützte, wirkte von außen wie viele andere in den
Vorstädten. Sie war eine von jeweils vier oder fünf Kuppeln
einer Einheit, die sich aus dichten Immergrün-Büschen
erhoben. Ihre Facetten-Rundung glitzerte im Schein der
Straßenlaternen. Rick ging langsam die Rampe zu der niedrigen
ovalen Röhre empor, die an der Seite der Kuppel austrat.
Jegliche Erwartung war geschwunden.
Regen näßte sein Gesicht.
Wind umtoste seinen Körper.
Blitze zuckten unter dem Dach der Kuppel.
Rick taumelte durch diesen unerwarteten Sturm; seine Stiefel
sanken tief in den ungemähten Rasen. Er betrat die Veranda. Glas
splitterte unter seinen Stiefeln. Die Fenster waren zertrümmert
worden. Die Eingangstür schwang im heftigen Wind vor und
zurück, die Bretter waren zersplittert und herausgebrochen.
Rick hielt den Atem an – und erkannte, daß der tosende
Wind vom Belüftungssystem des Hauses herrührte, daß
der Regen aus den Rasensprengern hervorschoß, die unter den
Büschen versteckt waren, daß die Blitze lediglich das
Flackern der Gartenstrahler waren. Wer immer die Fenster und
Türen eingeschlagen hatte, mußte auch die Schaltkontrollen
für die Installationen des Hauses mit der Axt bearbeitet
haben.
Rick schob sich durch die offene Tür. Die schweren Möbel
in der großen Diele waren umgestürzt, die Balustrade
über der Treppe hing schief auf geknickten Stützpfosten,
die Teppiche waren zerschnitten und in eine Ecke geworfen worden.
Das Zerstörungswerk wurde durch das zuckende Licht
draußen im Garten gespenstisch illuminiert.
»Lena!«
Er wußte, daß sie nicht hier, daß keiner hier
war, und ging trotzdem durch
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