Alien 2: Verborgene Harmonien
mit ihrer Familie zu bereden.« Rick
musterte de Ramaira von oben bis unten. Er trug einen ungewohnt
förmlichen Anzug, eine schwarze Jacke mit hohem Revers und dazu
eine plissierte Hose, aber das weiße Hemd war über der
knochigen Brust geöffnet, und er trug keine Schuhe.
»Du siehst gut aus«, meinte Rick. »Ich hatte mir
schon Sorgen gemacht, weil du nicht zur Arbeit erschienen
bist.«
»Ich bin okay. Komm rein.«
Sie durchquerten die Diele und ein Zimmer, eingerichtet mit den
massiven Möbeln aus der frühen Kolonialzeit. Dann traten
sie auf einen kleinen Hof, der von einer einzigen schwachen Lampe
erhellt wurde. Ringsum ragten die Nachbarhäuser hoch in den
Himmel und sperrten ihn zum größten Teil aus.
»Die anderen sind auf dem Dach«, erklärte de
Ramaira.
»Die anderen?«
»Ja, ich habe ein paar Studenten eingeladen«, antwortete
der Schoßweltler beiläufig und stieg die Wendeltreppe nach
oben. Seine Schritte klangen laut über Ricks Kopf, während
sie aus dem engen Hof zum Dach hochkletterten.
Mindestens zwei Dutzend Leute bevölkerten die Dachterrasse.
Die meisten Frauen waren nach der neuesten, gerade zwei Tage alten
Spott-Mode auf den ›Landungstag‹ gekleidet, trugen
bodenlange Kleider aus glatter oder plissierter Seide und hatten ein
schwarzes, mit silbernen Sternen und Monden besetztes Netz um die
hochgesteckten Haare gewunden. Die Gesichter waren kalkweiß
gepudert. Auf den ersten Blick konnte man meinen, die Party sei ein
Empfang für eine obskure Nonnensekte.
Die Gäste standen in kleinen Gruppen zusammen und
unterhielten sich laut. Zwei junge Männer an der
Terrassenbrüstung drehten sich zu Rick und de Ramaira um. An dem
eckigen Holztisch saß eine junge Frau etwa im gleichen Alter.
Sie schaute auf und schenkte Rick ein kurzes, aber betörendes
Lächeln.
Rick erwiderte ihr Lächeln.
»Lena, das hier ist Dr. Florey«, stellte de Ramaira sie
vor. »Rick, diese junge Dame ist eine meiner Studentinnen, Lena
Vallee.«
»Sie sind nicht zufällig mit dem Mann im Chronus-Viertel
verwandt? Dem Cello-Spieler?«
Lena schob ihr schweres schwarzes Haar zurück, das über
den Kragen ihrer asymmetrischen Jacke fiel. »Das ist mein
Vater.«
»Wirklich? Ich habe damals als Student alle seine Konzerte
besucht.«
Einer der jungen Männer, ein großer, nervöser
Blondschopf, streckte die Hand aus. »Ich bin Jon Grech. Auch in
der Landwirtschafts-Fakultät.« Er sah de Ramaira an und
fuhr fort: »Ich möchte ebenfalls Biologe werden.«
Über Lenas Kopf hinweg schüttelte er Ricks Hand.
»Und das hier ist Web Marshal«, erklärte de Ramaira
umständlich. »Studiert Ingenieurtechnik. Deine
Abteilung.«
Rick hatte den untersetzten jungen Mann mit den zottigen Haaren
nie vorher gesehen. Wie Jon trug er ein Sweatshirt zu schwarzen Jeans
– obwohl seine wesentlich schmutziger waren. Er zog sich einen
Stuhl vom Tisch heran, setzte sich und erwiderte stirnrunzelnd Ricks
forschenden Blick. »Ich studiere Systemtechnik, keine
Kommunikationstechnik«, brummte er.
»Warum setzen wir uns nicht einfach«, schlug de Ramaira
vor.
Rick ließ seinen Blick über die anderen Partygäste
schweifen, glaubte, einen seiner Studenten zu erkennen und sah
beiseite. Leise fragte er de Ramaira: »Müßtest du
nicht den Gastgeber spielen?« Er hatte den unangenehmen
Verdacht, daß er hier als jemand angekündigt worden war,
der er absolut nicht sein wollte.
»Ich glaube, es sind dafür schon zu viele Gäste
hier«, meinte de Ramaira leutselig und setzte sich neben Web.
Jon nahm neben Lena Platz. Nach kurzem Zögern setzte sich auch
Rick. Er war jetzt sicher, daß hier irgend etwas vorging.
De Ramaira füllte mehrere Gläser mit Rotwein. »Wir
sind froh, daß du kommen konntest, Rick. Jon und Web haben mich
mit Fragen gelöchert, die ich nicht mal ansatzweise zu
beantworten weiß. Ich dachte daher, es sei einfacher, wenn sie
dich selbst fragen. Dann bekommen sie nämlich sofort die
richtigen Antworten, nicht wahr?«
Jon beugte sich vor. »Wir haben uns gedacht, Sie sollten sich
ein paar Gedanken von uns anhören und uns dann Ihre Meinung dazu
sagen. Wären Sie damit einverstanden? Sie wissen, auf dem Campus
kursieren so viele dumme Gerüchte, daß es schwierig ist,
daraus die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen.«
»Er will sagen, daß wir gerne wüßten, was
eigentlich vorgeht, wir uns selbst aber nicht mit dem Programmieren
abquälen können oder wollen«, unterbrach ihn Web.
Jon protestierte. »He, das habe ich
Weitere Kostenlose Bücher