Alien 3: Ewiges Licht
laufen, um die Stadt einzuholen und zugleich der
Auflösung des Grates zu entkommen. Spiralen lösten sich
unter ihren fliehenden Füßen auf. Der Luftzug ihres
Laufens verschärfte sich in ihren Ohren. Das Licht der
gespenstischen Stadt wurde heller, verschwamm und verbreiterte sich
durch die vom Wind verursachten Tränen in ihren Augen. Einen
Augenblick lang hatte sie das Gefühl zu fliegen… Und dann
stolperte sie und fiel mit gespreizten Gliedern in heißen
weißen Sand. Sie war wieder am Strand. Was sie für das
Geräusch ihres Blutes in den Ohren gehalten hatte, war die
Brandung, die ein paar hundert Meter draußen auf dem Meer an
das Riff schlug.
Sie stand auf und erschauerte in warmem, hellem Licht.
Etwas Schreckliches und Unmögliches war geschehen; aber es
entschwand aus ihrer Erinnerung, als sie es zu definieren versuchte.
Der Strand krümmte sich nach links und rechts. Sie traf eine
willkürliche Wahl und marschierte los.
Es gab keine Nächte, sondern nur den einen endlosen Tag.
Sie aß, wenn sie hungrig war, schlief, wenn sie müde
war, und erwachte immer bei demselben grünweißen Licht,
das herunterströmte von… Aber sie dachte nicht darüber
nach, woher das Licht kam. Es war ein reines Licht, das genau alles
beleuchtete, auf das es fiel; so daß sie meinte, wenn sie
scharf genug hinschaute, könnte sie in jedes einzelne Sandkorn
am Strand schauen und durch die Oberfläche von Blättern in
ihre geheime Struktur, eine Fläche von Räumen ohne Fenster
und Türen. Wenn sie aufs Meer hinausblickte, war jede Welle
deutlich und entschwand klar in den grenzenlosen Ozean ohne
Horizont.
Sie lernte es, grüne Kokosnüsse zu zerspalten, indem sie
sie gegeneinander schlug. Weiter im Landesinneren gab es
Obstbäume, Orangen, Avocados, Papayas und Brotfrucht. In
gelegentlichen Lichtungen des Busches reckten prickelnde
Birnbäume ihre Zweige in die Luft. Fische streiften über
den geriffelten Sandboden des seichten, ruhigen Wassers innerhalb des
Riffs. Einzelne schiefergraue Thunfische und Schulen silbriger
Sprotten. Sie fand Bambusgruppen in dem Gebüsch hinter dem
Strand, brach die härtesten Stämme ab und rieb mit einem
Stein ein Ende davon spitz. Sie watete in das warme Wasser und
wartete darauf, daß etwas vorbeischwamm. Sie aß die
Fische roh mit dem Saft ausgequetschter Zitronen. Später lernte
sie die Herstellung von Salz, indem sie Meerwasser in der Hälfte
einer Kokosschale verdunsten ließ.
Während der ganzen Zeit, die sie draußen an der grellen
Küste mit Fischen verbrachte, wurde ihre Haut niemals dunkler
als das gewohnte sommersprossige Milchkaffeebraun.
Der Strand verlief vor ihr stets in einem sanften Bogen. Da war
immer das ferne Brüllen der Brecher draußen am Riff, das
gleiche klare vertikale Licht, der gleiche Saum von Palmen, die sich
über die gewürfelten Schattenmuster beugten, die sie auf
den weißen Sand warfen.
Sie zwang sich, beim Gehen stets rundum Ausschau zu halten. Denn
man konnte nie wissen… Manchmal glaubte sie, Knäuel von
Licht fern an der Krümmung des Strandes wirbeln zu sehen, immer
vor ihr, wie schnell immer sie auch ging. Luftspiegelungen…
vielleicht. Falls ja, waren das die einzigen optischen Illusionen in
dem klaren reinen Licht.
Es war nicht leicht, wachsam zu bleiben. Die Küste erschien
wie ein endloses Band, das durch den Raum dorthin verlief, wo sich
gekrümmte, nicht parallele Linien in die Unendlichkeit
erstrecken. Ein unendlich langes fraktales Muster, das sich immer und
immer wieder mit nur geringsten Variationen wiederholte. Es kam ihr
immer so vor, als ob der Strand hinter ihr zerfiele, die Materialien
eilends nach vorn schaffte und dann gerade rechtzeitig wieder
zusammenfügte.
Als sie dann sah, wie das Kap ins Meer hinausragte, erkannte sie
zuerst nicht, was es war, oder gar wie groß es war. In dem
grünweißen Licht hätte es irgendein Tier sein
können, das nur einige Meter entfernt an der Meeresküste
hockte, oder auch ein weit entfernter Berg. Sie duckte sich hinter
dem schuppigen Stamm einer schräg geneigten Palme und studierte
das Gebilde lange, ehe sie es wagte weiterzugehen.
Wie ein Schloß erhob sich das Kap steil auf einem Fundament
riesiger umgestürzter Felsblöcke. Seine Flanke war von
Platten und Rissen gespalten; und es war recht leicht, zwischen
Schlingpflanzen und dichten Farnbüschen emporzuklettern. Ganz
oben war ein sanfter Abhang aus kahlem Fels, und sie folgte ihm so
weit, bis die Stufen eines natürlichen
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