Alien 3: Ewiges Licht
rechten Hand die Stange los und ergriff die
Hand Angs. Etwas später fummelten sie herum, bis sie sich
aneinander drücken konnten. Sie versuchten nicht, durch
Helmkontakt miteinander zu sprechen, sondern hielten sich bloß
gegenseitig fest, zwei getrennte Universen, die in den zehn
Dimensionen des Kontraraums zusammengefaltet waren.
Draußen verging keine Zeit. Sie waren außerhalb von
Zeit. Da war nur der Puls ihres Blutes, die intime, nicht markierte
Uhr der Gebärmutter.
Ganz plötzlich kehrte das Universum zurück. Über
die Schulter von Angs Anzug blickte Dorthy durch die offene Luke
direkt unter ihr.
»Mein Gott!« sagte sie. »Oh, mein Gott!«
Sie erblickte, was noch kein menschliches Wesen je gesehen hatte,
sofern nicht der Pilot des Einzelschiffs das Ereignis überlebt
hatte. Sie sah die spiraligen Lichtfluten der Sammelscheibe um das
Schwarze Loch im galaktischen Zentrum. Das Wurmloch hatte die Vingança über achtundzwanzigtausend Lichtjahre
befördert in einem Bruchteil der Zeit, die sie gebraucht hatte,
um den überschnellen Stern zu erreichen.
Weite Lichtströme krümmten sich über den Himmel zu
einem gemeinsamen Zusammenfluß. Sie wurden immer heller,
während sie hineinschwenkten auf einen winzigen asymmetrischen
Fleck, der so hell war, daß er überhaupt keine Farbe
erkennen ließ und in Dorthys Augen schmerzte trotz der Filter
ihres Visiers. Der Fleck stieg langsam höher, während die Vingança langsam rotierte; und mit ihm dämmerte
ein schwacher roter Überriese auf, gehüllt in eine
asymmetrische Kapuze. Seine Photosphäre wurde durch den Wind
einfallender Gase weggerissen, eine ersterbende Glut vor der
strahlenden Glorie der Sammelscheibe. Dorthy entsann sich, daß
dieser Diskus gespeist wurde durch Gasströme, die sich fünf
oder sechs Lichtjahre weit nach außen erstreckten. Um aber
überhaupt etwas zu sehen von dem Mahlstrom der Strahlung um das
eigentliche Schwarze Loch, konnte die Vingança nur ein
paar Lichttage entfernt sein, höchstens eine Lichtwoche.
Strahlung… In Dorthys Ohren war ein Dröhnen, das immer
lauter wurde wie ein herannahender Tsunami. Es war der Ton des
Gammazählers in ihrem Anzug.
Auch Ang hatte sich umgewandt, um zu schauen. Sie sagte mit einer
über das Radio knarrenden Stimme: »Dorthy, wir müssen
einen Schutz finden.«
»Aber wir haben es geschafft, Ang! Das da unten ist das
Schwarze Loch. Wir haben die ganze Strecke geschafft!«
»Das mag wohl sein; aber da draußen ist es nicht
friedlich. Sehen Sie nicht die Szintillation, das Aufblitzen in Ihrem
Gesichtsfeld? Mit jedem Fleck stirbt eine Reihe von Zellen in Ihrem
Gehirn.«
»Sie haben wohl recht.«
»Sie werden noch viel Zeit haben, all dies zu betrachten. Wir
sind hier, aber wie kommen wir zurück?«
»Ich weiß nicht. Oder zumindest weiß ich es jetzt
noch nicht. Ich habe nachgedacht über das Einzelschiff, das vor
uns gefahren ist. Wir müssen versuchen, es zu finden.«
»Vielleicht werden wir gar nicht zurückkommen«,
sagte Ang. »Vielleicht erwarten sie uns,
Dorthy.«
Sie waren vor Äonen gestorben, noch ehe auch nur die
Alea am Zentrum der Galaxis angekommen waren. Aber Dorthy wollte
keinen theologischen Disput anfangen und blieb daher still. Die
beiden Frauen banden sich los und begannen über das Gerüst
der Halterung zu kriechen. Ihre Helmleuchten tanzten in der
Dunkelheit. Sie hatten gerade das Geländer eines Steigs
erreicht, als die Notbeleuchtung ansprang, ein trübes rotes
Glühen, das die Sicht über die Hellingen nach vorn und nach
hinten ermöglichte. Es gab eine mahlende Vibration. In der
ganzen Länge der Vingança schlossen sich die
Luken.
Es gab ein Intervall von Dunkelheit, und dann war unmeßbar
lange Zeit überhaupt nichts da, nicht einmal das
kinästhetische Gefühl des eigenen Körpers, das
Rauschen des Pulses in ihren Ohren oder die warme Dunkelheit hinter
ihren Lidern. Sie war eine entwirrte Saite von Bewußtsein, die
durch das Nichts gesponnen war.
Es gab keine Möglichkeit festzustellen, wie lange der
Zwischenzustand dauerte. Aber nach und nach war sie imstande zu
hören – oder vielleicht zu fühlen, denn es schien so
intim wie ihr eigener Herzschlag – einen tiefen, gedämpften
Rhythmus, wie eine große Maschinerie, welche die Tiefen eines
leblosen Ozeans quirlt. Und dann, plötzlich wie beim Umlegen
eines Schalters, konnte sie sehen. Ein hartes rosa Licht, und ihr
Körper hing darin – nackt, die Glieder ausgebreitet wie bei
einer hingefallenen
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