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Alien 4: Die Herren der Erde

Alien 4: Die Herren der Erde

Titel: Alien 4: Die Herren der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Ein Mädchen trat mit einem Holzeimer aus dem Haus des
Schlachters und ging zum Ufer. Karl schaute zu, wie sie sich
bückte, um den Eimer mit Wasser zu füllen, wie sie
zurückkam. Der weiche Lederkilt flatterte beim Gehen um die
festen Waden, das Sonnenlicht zauberte Farbtupfer auf die
Baumwolljacke und das lange, wehende Haar. Das Mädchen trat ins
Haus und schloß die Tür.
    Wenig später sah der Junge eine Abordnung der
Dorfältesten am Seeufer entlang auf die Scheune zustreben. Karl
erhob sich, reckte die steifen Gliedmaßen und weckte Shem und
Anaxander. Schelmisch, mit leuchtenden blauen Augen, umtanzte der
Umwandler die beiden Gefährten und entlockte seiner Flöte
dabei schrille Dissonanzen. Karl bekam seinen Arm zu packen und
stieß den Idioten vor sich her nach draußen ins
Sonnenlicht. Die Dörfler waren inzwischen vor der Scheune
angelangt.
    Auf den ersten Blick wirkten die Männer und Frauen
unscheinbar. Doch die ruhige Selbstsicherheit, die von diesen Leuten
ausging, schüchterte Karl immer wieder ein. Jetzt erst bemerkte
er voll Unbehagen sein durchgeschwitztes Hemd, das ihm am Rücken
klebte, seine schmutzigen Fingernägel und den unangenehmen
Schweißgeruch seines Körpers, der sich mit den
Ausdünstungen seines Pferdes vermischt hatte.
    Der Sprecher der Abordnung, ein plumper Mann in den
Fünfzigern, trat auf Anaxander zu und sprach ihn an. Als Karl
ihn auf seinen Irrtum hinwies, zuckte der Mann nur die Achseln und
sagte mit ernster Höflichkeit zu dem Idioten: »Verzeih mir,
Bruder.«
    »Außer seiner Musik begreift er kaum etwas«,
meinte Karl.
    »Er versteht schon«, antwortete sofort eine Frau und
musterte Karl und Shem mißvergnügt.
    Wieder einmal nahm die Sache einen schlechten Anfang. Karl war
wütend, gleichzeitig aber auch ängstlicher, als er sich
selbst einzugestehen wagte – denn jeder dieser Umwandler, wie
vertrauenerweckend er auch wirken mochte, hätte Karls Innerstes
mit der gleichen Leichtigkeit nach außen kehren können,
wie er die Schale einer Nuß knackte.
    Der Sprecher erklärte, daß die Dorfbewohner schon lange
den Verdacht hegten, mindestens ein Urwesen müsse in den
Hügeln entlang des Sees überlebt haben. Dieser Verdacht
bestätigte sich, als man ein frisch abgeschlachtetes Einhorn
fand. Karl vermutete, daß die Dorfbewohner in Wirklichkeit das
Urwesen eine Zeitlang geduldet hatten. Die Urwesen waren oft eine
Plage, die in der Umgebung von Umwandler-Dörfern ein Vielzahl
kleinerer Delikte begingen – aus echtem Haß, aus Dummheit
oder simplem Draufgängertum, seltener aber aus blanker Mordlust.
Es war leichter, solche Übergriffe zu ignorieren als den Aufruhr
in Kauf zu nehmen, den eine Jagd verursachte, und damit die Schuld,
angesammelt durch die Tötungen, die die Vorfahren in der Vorzeit
begangen hatten, zu erhöhen. Aber den Mord an einer geheiligten
Kreatur konnte man nicht ignorieren.
    »Ein Einhorn also, was?« brummte Karl. »Na
schön. Wie lange ist das jetzt her?«
    »Zwölf Tage.«
    Karl überlegte, rechnete die Zeit nach, die es gedauert
hatte, diese Jagd zu organisieren, die Zeit, die sie benötigt
hatten, um hierher zu reiten.
    »Wieso wartetet Ihr zwei Tage oder gar noch länger, ehe
Ihr unsere Gilde verständigt habt. Das Urwesen könnte
inzwischen längst diese Gegend verlassen haben.«
    »Es fand gerade eine Umwandlung statt – wie heute abend
auch. Diese durfte nicht unterbrochen werden.«
    Der Blick des untersetzten Mannes war unergründlich, in die
Ferne gerichtet, ohne jede Schuld. Wie immer beschlich Karl das
Gefühl, daß er viele Dinge aus der falschen Perspektive
betrachtete. Mehr schlecht als recht erledigte er die restliche
Routine, stellte die Fragen über das Wann und Wo und war
erleichtert, als die Umwandler endlich wieder gingen.
    Später kam das Mädchen, das Karl beim Füllen des
Wassereimers beobachtet hatte, zur Scheune herüber. Es
balancierte einen Korb auf der vorgschobenen Hüfte: darin ein
Krug mit Apfelwein, ein Stück Käse, Brot und Honig. Karl
dankte ihm und fragte dann aus einem Impuls heraus: »Der
Schlachter – das ist dein Vater, richtig? Ich glaube, wir haben
da etwas gemeinsam.«
    Das Mädchen senkte den Blick und gab Karl so Gelegenheit, ihr
rundes, hübsches Gesicht zu betrachten. Das lange Haar war jetzt
zu einem dicken Zopf geflochten. Ein Schmetterling saß auf
einer der Schwellungen, die die kleinen Brüste in der Wolljacke
verursachten, die Flügel senkrecht zusammengelegt wie betende
Hände. Andere

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