Alien 4: Die Herren der Erde
ersten auf
Schicht geschickt hätten, hätten wir gelernt, ihm zu
vertrauen, ohne erst die Kosten für seinen Aufenthalt hier
berappen zu müssen.«
»Stefan ist in Ordnung. Wir hier draußen müssen
uns gegenseitig vertrauen.«
Rayne schob sich mit einer für ihn typischen Bewegung die
Zöpfe aus der Stirn. »Du bist immer so verdammt offen und
geradeheraus. Es ist unglaublich.«
»Ich habe aber doch recht mit meiner Einstellung.«
»Wahrscheinlich. Diese Säcke dort drüben gehen mir
allmählich auf den Geist. Bin schon verdammt froh, daß ich
ihr Geschrei nicht verstehe.«
Dies war die höchste Form einer Entschuldigung, deren Rayne
fähig war.
»Die Besitzer der Mine sind auf uns angewiesen«,
erklärte Sepuldeva geduldig. »Wenn wir zusammenhalten,
werden wir die Sache durchstehen.«
In Wirklichkeit machte das Geschrei der Demonstranten auch ihn
nervös. Das Grosha-Bier, das er vor einer halben Stunde
getrunken hatte, zeigte Wirkung. Ein Prickeln durchlief seinen
Körper. Alles schien losgelöst und klar und doch weitab
– Momente, geflochten wie Raynes Zöpfe.
»Und wenn diese verfluchte Regierung sich noch schärfere
Sanktionen einfallen läßt?« fragte dieser jetzt.
»Das Embargo ist die einzige Möglichkeit, mit der sie
die Föderation wirklich empfindlich treffen können. Aber
früher oder später müssen sie die
Orthidium-Förderung wieder aufnehmen, sonst geht ihre Wirtschaft
völlig den Bach runter.«
Rayne hatte sich von der Menge abgewandt, und Sepuldeva folgte
seinem Beispiel. Hinter der grünen Scheibe gingen zwei
Uniformierte der Gilde vorbei. Ihre Gestalten wurden durch die
Lichtbrechung stark verzerrt, als befänden sie sich tief unter
Wasser. »Wenn wir jetzt in der Gilde wären, hätten wir
nicht diese Probleme«, murrte Rayne.
»Für mich ist der gerade Weg der leichtere. Wir sind
Freespacer und stehen mit beiden Beinen im Leben…«
»Wenn das so weiter geht, gibt es bald kein Leben mehr. Bei
Gott, ich hab ’n verdammt ungutes Gefühl wegen Stefan. Ich
meine, er ist auch nur ’n Roter, wie all die anderen hier auf
diesem verfluchten Materiebrocken im Raum.«
»Zwischen Nowaja Rosja, wo er herkommt, und Nowaja Semlja
gibt es wesentliche Unterschiede. Einer davon ist die
Religion.«
»Davon versteh ich nix, Mann. Aber er spricht dieselbe
Sprache wie die hiesigen Bewohner – und könnte ohne
weiteres mit unserem Anteil auf Nimmerwiedersehen im Landesinneren
untertauchen.«
Plötzlich schrie die Menge lauter. Die beiden Männer
drehten sich um. Gerade wurden die hohen Torflügel
geöffnet.
»Komm mit. Die Cops müssen uns durchlassen. Stell dir
nur vor, man hätte Stefan woanders abgesetzt. Er könnte
verschwinden, und wir würden es nicht mal erfahren.«
»So etwas würde Stefan nie tun…« Aber Rayne
lief schon über den Vorplatz. Sepuldeva folgte ihm aus dem
Schatten in die glühende Hitze und holte ihn bei den
Demonstranten wieder ein. Er wollte ihn zurückhalten, doch Rayne
schüttelte seinen Griff ab. Er hatte seine kleinen runden,
drahtgefaßten Sonnengläser aufgesetzt – schwarze
Kreise in seinem weißen Gesicht.
»Komm schon, Mann, das ist doch nur ’n Haufen
beschissener roter Zaren. Mehr als uns umbringen können sie
nicht.«
Mehrere Demonstranten hatten sich umgedreht, darunter ein Mann in
einer Jacke mit vielen Taschen, die ihm fast bis zu den Knien
reichte, und zwei Frauen, die sich völlig in schwarze
Tücher gehüllt hatten. Nur ihre Augen waren zu
erkennen.
»Ihr seid allesamt verfluchte Rote, stimmt’s«, rief
Rayne ihnen zu und hob die geballte Faust zum Revolutionsgruß
an die Schulter. Der Mann grinste, seine Zähne schimmerten hell
unter dem sauber gestutzten schwarzen Bart. Sepuldeva registrierte
erleichtert, daß im allgemeinen Lärm keiner der
Demonstranten Raynes Worte verstanden hatte. Außerdem sprach
wohl kaum jemand von ihnen Portugiesisch.
Rayne bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sepuldeva folgte ihm.
Jemand drängte sich an ihn heran und rief ihm etwas ins Ohr. Es
war der Mann mit der seltsamen Jacke. In sein schwarzes Haar hatte er
eine Schleife mit einer Parole eingebunden. Wieder sagte der Mann ein
paar Worte und versuchte Sepuldeva lautstark zu erklären, sie
sollten sich keine Sorgen machen, gegen Freespacer hätten die
Leute nichts. Dann klopfte er ihm auf die Schulter und verschwand in
der Menge.
Rayne schob sich an den Cops vorbei, als über zwanzig
Freespacer auf dem Flugfeld auftauchten und auf das Tor zugingen.
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