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Alien Earth - Phase 1

Titel: Alien Earth - Phase 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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hallte jetzt noch in ihren Ohren nach.
    Paul hatte eine Grenze überschritten. Sie durfte ihn nicht damit durchkommen lassen. Nicht, wenn sie einen letzten Deut Respekt vor sich selbst bewahren wollte. Nicht, wenn sie ihren Eid, das Wohl der Menschheit über alles andere zu stellen, nicht brechen wollte. Sie musste Paul dem Korps melden. Danach … was immer danach geschehen würde, lag nicht mehr in Ekins Händen. Das Korps würde rasch und entschlossen handeln, das stand fest. Und es würde nicht ruhen, bis es der Angelegenheit auf den Grund gegangen war. Das Korps würde herausfinden, was »Fischer« und »14.500« bedeuteten und ob noch weiteres Gekritzel existierte. Die Sache konnte in einer Woche geklärt sein, sie mochte ebenso gut Jahre in Anspruch nehmen - die Geduld des Korps war buchstäblich unerschöpflich. Eines aber würde die Sache niemals sein: erledigt. Etwas würde an Paul hängen bleiben, ein Zweifel an seiner Loyalität, den das Korps nicht dulden konnte.
    Paul, der Hunter, wäre Vergangenheit.
    Und sie, Ekin, würde die Schuld tragen.
    Die Straßenbahn hielt erneut an Ekins Stopp. Der Haltestelle zu ihrer - Pauls und Ekins - Kanzlei. Ekin gelang es, sich im letzten Moment durch die dicht an dicht stehenden Menschen
durchzuquetschen und auszusteigen. Einen Augenblick lang blieb sie an der Haltestelle stehen. Ihre Hoffnung, dass die frische Luft ihre Gedanken ordnen könnte, erfüllte sich nicht.
    Es war ihre Pflicht, Paul zu melden.
    Ekin überquerte die Straße. Radfahrer klingelten wütend, schossen links und rechts an ihr vorbei. Ein vereinzeltes Auto bremste scharf.
    Was dann geschah … nein, es war nicht ihre Schuld. Paul war ein Erwachsener, er hatte gewusst, was er tat.
    Sie drückte die Tür des Bürogebäudes nach innen. Sie war schwer. Schwerer als sonst, schien es Ekin. Sie ging durch das Foyer, vorbei an den Schildern der verschiedenen Mieter. Es waren kleine Ein- oder Zwei-Mann-Firmen, einige Kanzleien wie ihre eigene, vorgebliche, die übrigen Agenturen, Therapeuten, Berater.
    Paul war ein erwachsener Mensch. Es war seine Entscheidung gewesen, dem Korps Informationen vorzuenthalten.
    Die Kanzlei war im dritten Stock. Ekin begegnete niemand auf ihrem Weg. Wie an einem gewöhnlichen Tag. Ekin begegnete selten jemandem im Treppenhaus, und wenn sie es tat, grüßte man einander mit einem knappen »Hallo« oder »Guten Morgen/Abend« oder auch nur mit einem wortlosen Nicken. Ekin, dem Hunter, kam es gelegen. Die Kanzlei war Mittel zum Zweck. Soziale Kontakte brachten nur unnötige Risiken für die Tarnexistenz, benötigten Energie. Und je weniger Energie sie aufwenden mussten, ihre Tarnexistenz abzusichern, desto mehr blieb für ihre eigentlichen Aufgaben. Ekin, der Mensch, hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt, ab und zu ein harmloses Schwätzchen zu halten. Einfach nur so. Es hätte ihr gutgetan.
    Einmal, in einer schwachen Minute, hatte sie es Paul eingestanden - und sich im nächsten Augenblick dafür verflucht. Eingeständnisse waren Schwächen, und in Schwächen hakte Paul gnadenlos ein. Nicht an jenem Tag. Erst hatte er geschwiegen, hatte sie einfach angeschaut - hatte sie eine Art Sehnsucht in seinen Augen schimmern sehen oder war es nur Wunschdenken gewesen? -, und dann hatte er gesagt: »Ist dir schon
einmal der Gedanke gekommen, dass die anderen Firmen im Haus ebenfalls Deckfirmen sein könnten? Dass hier zwei Dutzend Hunter-Teams auf einem Haufen sitzen und mit korpsverordnetem Tunnelblick Tag für Tag den gesammelten Scheiß der Menschheit in sich hineinfressen, ohne zu ahnen, dass eine Tür weiter ihre Seelenbrüder und -schwestern hocken?«
    Dann hatte er gelacht, Paul-mäßig von seiner skurrilen Idee über alle Maßen begeistert. Und Ekin hatte mitgelacht, während ihr Hinterkopf den Gedanken durchgekaut hatte - skurril, ja, aber dachte man ihn zu Ende, musste man zu dem Schluss kommen, dass es eher ein Wunder wäre, wenn es sich bei ihren Nachbarn nicht um Tarnfirmen handelte -, um schließlich ein Häkchen auf der zugegeben kurzen Liste der Dinge zu setzen, die sie es mit Paul aushalten ließen.
    Ja, auch das war Paul.
    Die Tür zur Kanzlei stand offen. Ekin blieb einige Stufen unterhalb des Treppenabsatzes stehen. Sie blickte im schrägen Winkel in die Kanzlei und konnte lediglich einen Ausschnitt der Decke sehen.
    Paul?, fragte sie sich. Sie sah auf die Uhr. Kurz vor zehn, trotz ihrer verqueren Stadtrundfahrt - viel zu früh für ihn.
    Das Reißen von Karton

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