Alien Earth - Phase 1
Ihnen. Das passt. Nicht die geringste Ahnung von irgendwas.«
Die körperliche Drohung war verschwunden. Der Mann sah abschätzig auf sie herunter, wie auf ein Kind oder einen dummen GenMod, der er es nicht besser wusste. Ekin traf der Blick mit einer Wucht, die jeden körperlichen Schlag übertraf.
»Sie bleiben sitzen, halten den Mund und stören uns nicht! Verstanden?« Der Mann wandte sich ab, widmete sich wieder Pauls Sachen und bedachte sie keines weiteren Blickes - eine Steigerung der Verachtung, die Ekin für unmöglich gehalten hätte.
Innerhalb einer halben Stunde räumte das Kommando die Kanzlei leer. Pauls Ramsch wurde Stück für Stück fotografiert, in eine Inventarliste aufgenommen, von den Männern einer ersten, oberflächlichen Untersuchung unterzogen und verschwand schließlich in einer der Umzugskisten, die sie mitgebracht hatten.
Ekin zerriss es bei dem Anblick das Herz. Die Männer waren nicht grob, sie behandelten jedes Stück - sei es eine Taschenwelt von 2041, dem ersten Jahrgang, den echte Sammler als authentisch anerkannten, die Behälter mit dem Anti-Alien-Spray, das Paul noch nicht weiterverkauft hatte, die Modell-Replika eines Regionalexpress-Triebkopfs aus der Jahrtausendwendezeit - mit äußerster Sorgfalt, trugen bei ihrer Arbeit Gummihandschuhe. Ekin hegte keine Zweifel, dass Pauls Stücke keine Spuren, geschweige denn Schäden davontragen und selbst noch den Erwartungen anspruchsvoller Sammler genügen würden.
Dennoch, Ekin drehte es den Magen um. Pauls Zeug war Ramsch. Plunder, Tand, Kram, Schrott - es gab kaum einen abwertenden Begriff, mit dem Ekin ihn in den vergangenen Jahren nicht belegt hätte. Und sie hatte damit den Kern getroffen. Ramsch polarisierte. Für den einen war er lächerlich, bemitleidenswert oder eine unzumutbare Verschwendung knapper Ressourcen. Der andere lebte für Ramsch.
Den Männern aber, die in diesem Augenblick in der Kanzlei standen, war er egal. Sie transportierten Pauls Sachen ab, als bedeuteten sie nichts, als sei er tot.
Aber das war er nicht. Der Mann hatte Ekin nach ihm gefragt. Also musste Paul den Bogen überspannt, mit seinen Geschäften eine Grenze überschritten haben.
Als das Kommando bei den letzten Kisten angelangt war, nahm Ekin ihren Mut zusammen.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie laut. »Wieso tun Sie das? Paul war … ich meine, Paul ist ein hervorragender Hunter.«
Der Anführer des Kommandos, der sich eben anschickte, mit der letzten Kiste in den Händen die Kanzlei zu verlassen, blieb kurz stehen und schüttelte mitleidig den Kopf.
»Sie kapieren wirklich überhaupt gar nichts, was? Ihr Partner ist kein Hunter. Nicht mehr. Er ist ein Alien.«
»Wie bitte?«
Der Mann hörte sie nicht mehr. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und Ekin blieb allein in der Kanzlei zurück. Es war nicht mehr länger die ihre. Der Raum wirkte einschüchternd groß. Ihre Worte hallten an den kahlen Wänden wider.
Paul - ein Alien?
Unmöglich.
Und sie sollte es nicht bemerkt haben?
Unmöglich. Völlig unmöglich.
Sie, der erfahrene Alien Hunter?
Unmöglich. Völlig unmöglich. Ausgeschlossen.
Ekin stand auf, schaffte es irgendwie zur Kaffeemaschine, die das Kommando ignoriert hatte, stellte einen Becher darunter und drückte die Taste für einen Latte Magico.
Die Maschine fuhr an, mahlte eine Hand voll Bohnen. Sie zischte - und brach jämmerlich ab. Ekin drückte den Neustart-Knopf und produzierte ein Würgen. Verfluchte Mechanik! Sie nahm das Verdeck ab, um die Verstopfung zu beseitigen. Es kam ab und zu vor, dass gemahlener Kaffee klumpte, besonders, wenn die Maschine länger nicht benutzt worden war. Im Einsatz steckte kein Pulver. Eine Art Stumpf ragte hervor. Ekin zog ihn heraus. Es war eine Spielzeuglok.
Einen langen Augenblick wog Ekin die Lok in der Hand, starrte auf ihr Rücklicht, das rot glimmte, dann angelte sie sich mit der freien Hand ein Telefon und wählte.
Trixie. Sie brauchte Trixie.
Klage auf Herausgabe von Alien-Artefakt, am 30. Juli 2064 in den Pazifik gestürzt (3° 11′ N, 150° 43′ O). Aktenzeichen MC 387-64 Z
Kläger: Vereinigte Staaten von Amerika und Arabien
Vertreten von: William C. Forstchen III, Generalkonsul (Hamburg)
Beklagter: Human Company (registriert in Freetown, Sierra Leone) Vertreten von: Pablo Parra, Justiziar
Richter: Vierter Seegerichtshof, kybernetisches Expertensystem
Urteil:
Die Klage wird abgewiesen. Es wurde nachgewiesen, dass - wie vom Kläger
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