Alien Earth - Phase 2
zurechtgelegt hatte, um dem Handeln der Aliens einen Sinn abzugewinnen.
Unterhalb von Karlsruhe verließen sie das Schiff. Atsatun führte sie auf die Höhen des Schwarzwalds und dann in einem Zickzack immer weiter nach Süden. Die Wallfahrtsorte waren hier dünner gesät. Ihre Märsche wurden länger, führten durch anspruchsvolleres Terrain. Schatten gab es nur selten: Der Schwarzwald wartete auf seine Reinkarnation durch genmodifizierte Wälder. Im Augenblick bestand er aus einer Art Macchia, einem Meer aus halbhohen, dornigen Sträuchern, dazwischen vereinzelte, verloren wirkende Inseln aus Wäldchen, denen es entlang saisonal Wasser führender Bachläufe gelang, der Hitze und der Trockenheit zu trotzen.
Der Tempel der 14 Jungfrauen für die Alienheit spendete ihnen Wasser und ein Dach über dem Kopf. Ein Lagerfeuer brannte Tag und Nacht im Innenhof, Erinnerung an die Mädchen,
die ihre Körper an diesem Ort dem reinigenden Feuer übergeben hatten.
Die Pagode Martins, des Körperlosen, empfing sie. Nirgends in der alten Scheune fand sich sein Bild, stattdessen hing ein penetrant frischer Geruch in der Luft, das bevorzugte Deo Martins, bevor seine Seele den Körper verlassen hatte, um zum Alien-Schiff im Orbit aufzusteigen.
Ein Bethaus, eines von Millionen weltweit, die zusammen ein Bollwerk gegen die teuflischen Aliens bildeten, nahm sie auf. Zusammen mit Hunderten Menschen, die Gott anflehten, sie von der Geißel der Aliens zu befreien, verbrachten sie die Nacht.
Nach zwei Wochen überquerten sie erneut den Rhein. Eine illegale Fähre brachte sie in die ehemalige Schweiz. Atsatun gab dem unverschämten Fährmann ihr restliches Geld, erwürgte ihn nach getaner Arbeit und nahm ihm das Geld wieder ab. In derselben Nacht schlichen sich die Aliens in ein Dorf. Eine Stunde später und ohne dass Paul einen Laut gehört hätte, kehrten sie zurück, die Taschen zum Bersten gepackt mit Munition. Sie hatten sie aus den geheimen Vorräten früherer Milizionäre geholt; sie war kompatibel mit den TAR-21 der Aliens.
Die Aliens luden Paul und Marita die Munition auf und marschierten weiter. Erneut durchwanderten sie ein Gebirge. Paul glaubte, dass es sich dabei um das Jura handelte. Sicher war er sich nicht, seine geographischen Kenntnisse ließen ihn im Stich. Nur eines war sicher - dass sie weiter Richtung Süden marschierten: Die Alpen rückten mit jedem Tag näher.
Schließlich, eine knappe Woche und eine Handvoll Pilgerorte später, ließ Atsatun auf einer Lichtung anhalten. In der Ferne, im Licht der untergehenden Sonne, glitzerte ein lang gestreckter See. Die Aliens setzten ihre Rucksäcke ab, holten die Gewehre hervor und reinigten sie.
In der Nacht kam Marita zu ihm. Es war das erste Mal, seit sie ihre Pilgerfahrt begonnen hatten. Sie schmiegte sich an ihn,
zog ihn aus und schlief mit ihm. Paul ließ es mit sich geschehen, die Augen geschlossen.
Marita zog seine Lider mit den Daumen hoch. »Sie haben etwas vor«, flüsterte sie.
»Ich weiß.«
Die Aliens hatten die Gewehre in ihre Einzelteile zerlegt, sie gereinigt, geprüft und wieder zusammengesetzt. Anschlie ßend hatten sie sich schlafen gelegt, die geladenen Gewehre neben sich.
»Etwas Großes. Mehr, als arme Schweine von Pilgern umzubringen.«
»Ja.«
Paul sah über Maritas Schulter hinweg in die Ferne. Der See lag wie ein schwarzer, bodenloser Tintenfleck schräg unter ihnen, scharf abgegrenzt von dem Lichterring der Siedlungen an seinem Ufer.
»Dir ist klar, was das bedeutet?«
Paul nickte.
»Gut.« Sie beugte sich vor, küsste ihn auf die Lippen. Es war ein sanfter, scheuer Kuss, der nicht zu Marita passen wollte. Ein Abschiedskuss? »Gute Nacht, Iwan.« Sie drehte sich weg. Kurz darauf war sie eingeschlafen. Marita konnte immer schlafen. Es war, sagte sie, was einen Soldaten wirklich ausmachte. Nicht, dass er töten konnte, sondern dass er in der Lage war, immer und überall zu schlafen.
Paul war kein Soldat. Er lag da, sah neidisch zu dem schwarzen Umriss auf dem dunklen Boden des Waldes, der sich im schwachen Licht des Halbmonds abzeichnete.
Hinter ihm knackte ein Zweig.
Eine Hand legte sich von hinten über seinen Mund. Bestimmt, aber nicht brutal.
»Leise!«, flüsterte ihm eine Stimme in das Ohr. »Ich bin’s, Ghi.«
Er drehte sich um. Sie ließ es zu, blieb so liegen, dass ihre Knie einander berührten. Ghi roch nach Schweiß und Ekin. Es machte ihn weich und wütend zugleich.
»Was ist los?«, zischte Paul. »Was willst du
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