Alien Earth - Phase 2
und wartete, als betreffe ihn die Entscheidung Kahmans nur am Rande, wenn überhaupt. Wofür einiges sprach. Lehnte Kahman seinen Plan ab, konnte er einfach wieder in Starre verfallen. Kahman wäre machtlos dagegen. Und selbst Wolf, von dem der Alien respektvollen Abstand hielt, würde nichts ausrichten können. Das Korps würde ihnen keine Stunden mehr für Rituale gleich welcher Art lassen.
»Denk noch einmal nach«, wandte sich Kahman wieder an Atsatun. »Überleg, was geschieht, wenn wir hier nicht herauskommen. Ihr werdet wieder dem Korps in die Hände fallen.«
»Wir würden es vorziehen, wenn das nicht geschähe. Aber es gibt weit schlechtere Szenarien. Wir wissen, was wir vom Korps zu erwarten haben.«
»Du bist dir deiner Sache sehr sicher. Sie werden euch foltern.«
»Das haben sie bereits getan.«
»Davon habe ich gehört. Ich habe auch von den Schreien gehört, die ihr ausgestoßen habt.«
»Es sind Instinktreaktionen der Menschenkörper. Wir können sie nicht unterdrücken. Aber sie berühren uns nicht.«
»Das Korps wird die Folter ausdehnen. Es wird die Geduld verlieren.«
»Das ist möglich. Es macht keinen Unterschied. Es kann uns nichts anhaben.«
»Das Korps wird euch umbringen.«
»Nein. Dafür sind wir zu wertvoll. Und außerdem wäre es sinnlos.«
Der Alien war ungerührt, aber Marita Kahman ließ nicht locker. »So ist es«, bestätigte sie. »Aber das war es von Anfang an. Zu einer Verständigung gelangt man nicht über Folter. Das Korps handelt also nicht logisch - was hindert es daran, weiter unlogisch zu handeln und euch umzubringen?«
»Unsere Leben sind zu wertvoll«, entgegnete Atsatun. Entweder konnte oder wollte er dem Gedankengang nicht folgen. »Sie werden uns nicht töten.«
»Es gibt viele Wege, einen Menschen zu töten. Mit mir und meinen Leuten wird sich das Korps nicht lange aufhalten. Sie werden einen Teil von uns für Verhöre aufsparen, die Übrigen werden sie gleich umbringen, damit ihnen nicht irgendwelche Gerichte mit ihren Prozeduren in die Quere kommen. Was euch angeht … der menschliche Organismus ist zäh, aber es gibt einen Punkt, jenseits dessen er aufgibt. Wenn ihr wieder in die Gewalt des Korps geratet, werdet ihr diesen Punkt früher oder später erreichen. Eure Körper werden wegsterben. Sie verkraften keine zusätzlichen Strapazen mehr. Sieh dich doch an!«
Der Alien folgte ihrer Aufforderung. Was er sah, musste ihn erschrecken. Atsatun steckte in einem Körper, der einmal einem Mitglied von Wolfs Sternengarde gehört hatte. Wolf hatte nur kräftige, gesunde und junge Männer in seine Garde aufgenommen. Neben der vollkommenen Hingabe an die Sache des Großen Packs war die Garde die zweite Säule seiner Ordnung gewesen. Von dem Gardisten war nur noch ein »Sigma V«-Schriftzug geblieben, den er sich auf den Oberarm hatte tätowieren lassen. Er war beinahe unleserlich, die bleiche Haut hing schlaff und in Falten an dem einstmals muskulösen Mann herunter. Jetzt war er knochig, und wenn Atsatun den Mund öffnete, waren nur vereinzelte Zahnstümpfe zu sehen.
Schweigend musterte Atsatun seinen Körper. Er schien keinesfalls erschrocken, lediglich verwundert und dann, nachdem er die Verwunderung verarbeitet hatte, blinzelte er langsam. Paul kam es vor, als hätte er im Geiste einen neuen Punkt der Liste der Aufgaben hinzugefügt, die vor ihm lagen. Dann sagte er: »Es ist die einzige Möglichkeit. Es ist eure Entscheidung.«
Marita Kahman wandte sich ab, rief ihren Stab zusammen. Nicht, um sich ernsthaft zu beraten, sondern um sich selbst und ihren Leuten den Anschein zu geben, dass es tatsächlich etwas zu entscheiden gäbe. In Wirklichkeit hatten sie keine Wahl. Führten sie Atsatuns Plan aus, hatten sie eine Chance. Lehnten sie ihn ab, stürmte das Korps das Wohnheim. Ende.
Atsatun verfolgte die Beratung nicht. Er starrte blicklos gegen die Wand. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte.
»Einverstanden.« Marita Kahman kehrte an den Tisch zurück. Sie beugte sich dem Unvermeidlichen. »Wir führen deinen Plan durch.«
»Ich werde meine Gefährten vorbereiten«, antwortete Atsatun. »In einer Stunde sind wir so weit.«
Der Alien verließ den Raum.
Niemand hielt ihn auf.
»Nicht schießen!«
Der Alien, ein älterer Mann, der in seinem früheren Leben einmal füllig gewesen sein musste, wartete einen Augenblick, dann trat er vor die Tür, winkte mit der improvisierten weißen Flagge, die er in der Linken hielt, und rief wieder: »Nicht
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