Alien Earth - Phase 3
ihre Eier gegraben. Dann hatte sie ihre Eier gelegt und ihre Erfahrungen ihren ungeborenen Kindern geschenkt, ihnen Splitter ihrer Seele
mitgegeben. Ein Splitter war in der Mutter verblieben, gerade stark genug, um sie so lange am Leben zu halten, bis ihr Nachwuchs schlüpfte und sie ihm als erste Zehrung dienen konnte.
Der Schlüpfling sah sich um. Er sah den Strand, die Felsen, die sich an beiden Seiten an den Strand anschlossen und ihn unzugänglich machten, das Meer, das sich in aufgewühlten Wellen brach. Er musste sich woanders stärken. Er brauchte Zehrung. Die Erfahrungen sagten es ihm, und sie sagten ihm auch, wo: bei seinem Vater, der über seine Mutter und das Gelege gewacht hatte.
Sein Vater war nicht weit. Er kauerte neben der Mutter und wartete, wie es die Erfahrungen ihn lehrten. Auch in ihm war nur ein Splitter seiner Seele verblieben, die übrigen hatte er seinem Nachwuchs geschenkt, damit seine Erfahrungen weiterlebten, an eine neue Generation übergingen.
Hunger quälte den Schlüpfling, aber er wartete ab. Die Erfahrungen sagten ihm, dass er sich nicht allein an seinem Vater würde stärken können. Sein Vater wollte leben, sein Drang mochte stärker sein als die Erfahrungen. Es war vorgekommen, der Schlüpfling wusste es, steckte doch ein Splitter seines Vaters in ihm. Deshalb mussten sie viele sein. Und bis zu dem Moment, an dem sie genug waren, brauchten sie ihren Vater lebend.
Schatten strichen über den felsigen Strand. Die Erfahrungen sagten ihm, dass sie von Luftfischen stammten, auch wenn er den Kopf nicht heben konnte, um sie mit eigenen Augen zu sehen. Wozu auch? Er sah die Schatten, die Erfahrungen sagten ihm den Rest. In der Luft zappelnde Fische mit übergroßen Flossen, die ihnen als Flügel dienten. Die Luftfische konnten sich nur für wenige Momente in die Luft erheben, sie waren zu schwer und ihre Flügel zu klein, um mehr zu ermöglichen. Sein Vater schreckte die Luftfische durch seine Existenz ab. Sie fürchteten die Schläge seiner Flossenhände. Einmal an Land gestrandet, war ein Luftfisch hilflos, und unversehens wurde aus dem Jäger Beute.
Der Schlüpfling versteckte sich. Der Kadaver seiner Mutter gewährte ihm Schutz, bis genug weitere Brüder und Schwestern geschlüpft waren. Dann stürzten sie sich gemeinsam auf ihren Vater, schnappten nach ihm. Der Vater ließ es geschehen. Einen Augenblick lang bäumte er sich auf, als wolle er fliehen oder sogar seine eigene Brut töten, aber die Erfahrungen erwiesen sich als stärker als sein Lebensdrang. Der Schlüpfling sah die stumme Angst in den Augen seines Vaters, dann war er schon an seinem Kopf vorbei und grub die scharfen Zähne in seine Flanke. Der Vater stöhnte auf. Er zuckte, doch es war zu spät. Dutzende von Schlüpflingen hingen an ihm, rissen Fleischstücke aus seiner Flanke.
Der Schlüpfling bemerkte den salzigen Geschmack des Fleischs, schluckte es herunter, ohne zu kauen, riss ein zweites und drittes heraus, dann hatte er genug. Er musste jetzt schnell sein. Der Vater, der ihn vor den Luftfischen geschützt hatte, war tot. Der Schlüpfling krabbelte los, dem Meer entgegen, stolperte und verlor den Halt. Er strich sich den Dreck und den Sand aus dem Mund und den Augen, kroch weiter und fand sicheren Tritt. Er krabbelte von Stein zu Stein, von Plastikmüll zu Plastikmüll, kroch in seinen Schutz, schöpfte einige Augenblicke lang Atem und krabbelte weiter. Um ihn herum strichen die Schatten der Luftfische über den Sand. Es waren jetzt Hunderte. Sie waren dumme Tiere, aber sie hatten dennoch gelernt, dass dies ihr Augenblick war. Vater und Mutter waren tot, die Brut war ohne Schutz.
Der Schlüpfling krabbelte nicht das erste Mal über den Strand. Die Erfahrungen sagten ihm, dass er es schon viele Male getan hatte. Und er war nicht allein. Neben ihm, vor ihm und hinter ihm krabbelten seine Brüder und Schwestern. Sie waren geschickt und flink, standen ihm in nichts nach. Was nur natürlich war: In diesen ersten Augenblicken waren ihnen dieselben Erfahrungen, dasselbe Schicksal, derselbe Durst nach Leben gemein.
Ein Schatten huschte auf den Schlüpfling zu. Ohne zu zögern machte er einen Satz zur Seite - und lebte. Eine Schwester, die zu früh oder nicht weit genug gesprungen war, piepste jämmerlich, als der Luftfisch sie mit seinem Maul ergriff. Das Piepsen brach ab, als der kräftige Kiefer des Luftfischs den Schädel der Schwester platzen ließ, als handele es sich um die Schale eines Eis. Mit langen
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