Alien Earth - Phase 3
Ekin die Wissenschaftler nie lästern hörte. Seine Anweisungen, die er als kurze Textbotschaften auf die Klemmbretter sandte, waren Gesetz. Ordnete der Chef an, eine bestimmte Linie von Smarties nicht mehr weiterzuführen, waren die Brutkästen innerhalb einer Stunde geleert und warteten auf eine neue, vielversprechendere Linie. Sein Lob hob Wissenschaftler in den Himmel oder wirbelte ihr Gruppengefüge innerhalb eines Augenblicks durcheinander. Seine Kritik vernichtete Existenzen, im übertragenen wie buchstäblichen Sinn: Zwei Wissenschaftler brachten sich um, nachdem der Chef sie in einer Klemmbrett-Botschaft bloßgestellt hatte.
Ekin bekam den Chef nie zu Gesicht. Er blieb in seinem eigenen Labor, dem einzigen im Rattenlabyrinth, das mit einer Decke versehen war. Ekin begann das Labor in Gedanken bald als den »Bunker« zu bezeichnen. Tagelang spitzte sie die Ohren, um mehr über den Bunker zu erfahren. Vergeblich. Er war zu selbstverständlich, als dass man ein Wort darüber verloren hätte. Und nach dem Bunker zu fragen, hätte sie augenblicklich ihrer Unsichtbarkeit beraubt.
Ekin arbeitete, sortierte defekte Smarties aus, brachte Kaffee - und schlich sich davon, um die Aliens zu sehen. Die Seelenspringer hatten ihr eigenes Reich in der Unterwelt, eine Halle, so groß wie das Rattenlabyrinth der Menschen, aber bar jeder Einrichtung. Es gab dort nur nackten Fels, klamme Feuchtigkeit und eine Handvoll Lampen an der hohen Decke, die besseres Dämmerlicht spendeten. In dieser Halle blieben die Seelenspringer, in diese Halle wurden die Smarties gebracht. Der Einfachheit halber rollte man sie in den Brutkästen herein und transportierte sie wieder ab. Die Seelenspringer probierten aus, testeten, wie schwer ihnen der Transfer in die GenMods fiel, wie leicht es für sie war, sie zu
beherrschen. Das Ausprobieren kostete die Seelenspringer ihre ganze Kraft, ließ sie den überwiegenden Teil der Zeit schlafen. Die Aliens schliefen, wie es ihrer Art entsprach. In der Hocke, im Stehen, im Sitzen, in jeder erdenklichen Position, nur nicht im Liegen. Ekin betrachtete sie fasziniert. Es waren verwandte Seelen. Die Seelenspringer waren aus ihren Gefängnissen auf Sigma V ausgebrochen. Hatten sie nicht durchgemacht, was Ekin selbst durchgemacht hatte? Waren sie nicht ihre wahren Brüder und Schwestern? Es war noch nicht zu spät. Sie konnte noch umkehren, sich ihnen anschließen. Ekin konnte sich freimachen von der Erde, von den Fesseln ihres Menschseins. Unsterblichkeit erwartete sie, das Universum … und sie würde sich eine Schuld aufladen, von der sie sich niemals würde befreien können. Also beließ es Ekin dabei, die Seelenspringer zu beobachten.
Einmal überraschte Mordechai sie bei den Aliens. Er schlich von hinten an sie an, so leise, dass sie es nicht bemerkte, und machte: »Buh!«
Ekin schreckte hoch, ihr Puls hämmerte, die Luft blieb ihr weg. Das Mädchen in ihr schrie schrill. Ekin stolperte und wäre gefallen, hätte Mordechai sie nicht aufgefangen.
»Ganz schön schreckhaft«, sagte er grinsend. »Ich hätte dich anders eingeschätzt.«
Ekin wand sich aus seinem Griff, blieb schwankend auf ihren zitternden Knien stehen und schnappte nach Luft. »Mach das nie wieder, hörst du! Nie mehr wieder!«
»He, das war nur ein Spaß!« Mordechai hob abwehrend die Hände. »Verstehst du keinen Spaß?«
»Schon. Aber nicht das. Das war kein Spaß!« Das Mädchen in ihr schrie immer noch.
»Ist ja gut. Aber wieso schleichst du auch hier herum? Das ist die Halle der Aliens.«
»Ich war eben neugierig. Was ist schon dabei?« Sie versuchte sich an einem lässigen Achselzucken.
»Nichts«, sagte der Wissenschaftler. »Nur …«
»Was nur ?«
»Pass auf dich auf. Das hier ist kein Ort für kleine Mädchen. Zu viel Neugierde … sagen wir … tut dir nicht gut. Wir schuften hier für Homeworld Security. Du machst dir keine Vorstellung davon, was für Menschen das sind. Sie sind krank. Tust du etwas, was ihnen nicht passt - irgendetwas -, bist du weg. Und das wäre traurig. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Also: Lass diesen Mist, verstanden?« Mordechai wandte sich ab und ging, ohne eine Antwort abzuwarten.
Das Mädchen in Ekin schrie noch, als sie Stunden später endlich in den Schlaf fand.
Etwas musste geschehen.
Ekin nahm ihren Mut zusammen und schlich sich in der Nacht aus der Halle der Seelenspringer. Zum ersten Mal war sie nicht über den Körper wütend, in dem sie steckte. Die Mädchenzehen
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