Alien Earth - Phase 3
übrig hatte. Ekin wünschte sich, sie müsste Mordechai nicht antun, was sie ihm antun musste. Sie würde ihn töten müssen. Mordechai, die übrigen Wissenschaftler, die Aliens, die hier in der Unterwelt mit ihnen zusammenarbeiten mussten, jedes einzelne Wesen, das sich mit Gen-Modulation auskannte. Es durfte keine Smarties geben, keine den Menschen
überlegenen GenMods, sollte es noch länger eine Menschheit geben.
Mordechai grinste. Er ahnte nicht, dass er seine Mörderin vor sich hatte.
»Ich wusste gleich, dass wir miteinander auskommen. Und jetzt viel Vergnügen! Das Klemmbrett führt dich durch die Brutlabore!«
Ekin machte ihre Runden, 17 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Es war kein Pensum, das sie lange durchhalten würde, aber das machte nichts. Alle Bewohner der Unterwelt von New Providence arbeiteten dasselbe Pensum, und keiner beklagte sich. Sie standen vor dem Durchbruch. Einige Wochen noch, und die neue Generation Smarties würde serienreif sein. Danach konnten sie schlafen und ausruhen, so viel sie wollten.
Körperlich war Ekins Aufgabe nicht besonders anstrengend. Sie hatte die Gelegenheit, sich regelmäßig hinzusetzen und sich auszuruhen. Trotzdem wurde ihr immer wieder schwarz vor den Augen, plagte sie ein Kopfschmerz, den sie bestenfalls für Minuten vergessen konnte. Sie ahnte, woher er rührte: Sie war Richterin über Leben und Tod geworden. Jeder Eintrag, den sie in die Spalte »Bemerkungen« sprach, führte dazu, dass die Gen-Modulierer sich den betreffenden Smartie genauer ansahen. Und das führte beinahe unweigerlich dazu, dass bei Ekins nächster Runde ein neu erschaffener, winziger Smartie in dem Brutkasten lag. Ein hilfloses Wesen, das sie beobachten würde. Und zwei, drei Tage später mochte sie auch diesen Smartie zum Tode verurteilen. Sie musste nur eine Bemerkung in das Klemmbrett sprechen.
Sie sagte sich, dass es nichts bedeutete. Machte nicht sie ihre Runden, würde Mordechai jemand anders schicken. Machte sie keine Bemerkungen, würden einige Smarties vielleicht ein paar Tage länger leben, mehr nicht. Es waren Vorserienmodelle. Sie waren ohnehin nicht dazu bestimmt zu leben. Carmel mochte es gelingen, den ein oder anderen
Smartie aus einem Abtransport zu befreien und in einem seiner Gewächshäuser einzusperren, aber auch das war nur ein kurzer Aufschub vor dem unvermeidlichem Ende. Homeworld Security würde es nicht lange dulden. Und überhaupt, wenn Ekin in die Tat umsetzen würde, was sie tun musste, was machte es für einen Unterschied, ob ein Smartie einige Tage früher starb?
Ekin vergrub das Mitleid mit den Kreaturen in den Brutkästen so tief in sich, dass nicht einmal das Mädchen in ihr es erreichen konnte, und machte sich daran, sich in der Unterwelt einzurichten. Aus einer der Teeküchen, die in der Halle verstreut waren, besorgte sie sich ein Tablett und Thermoskannen. Die Wissenschaftler reagierten erst mit Überraschung und zweifelnden Blicken, dann griffen sie zu. Zwei, drei Tage lang wurde Ekins Kommen noch vermerkt, danach erlangte sie Unsichtbarkeit. Niemand nahm mehr von ihr Notiz, die Wissenschaftler redeten einfach weiter, wenn sie den Raum betrat.
Sie waren eine zerrissene Gruppe. Ein Teil von ihnen waren Carmels ehemalige Gefährten, Idealisten, die schwer daran zu kauen hatten, dass sie sich an Homeworld Security und die Seelenspringer verkauft hatten. Doch sie waren in der Minderheit. Den meisten schien es egal zu sein, für wen sie arbeiteten. Ein ansehnlicher Teil der Bewohner der Unterwelt waren Wissenschaftler, die von den Seelenspringern aus einem Labor in Europa entführt worden waren und die schon lange vor ihrer Entführung jeden Idealismus verloren hatten. Mordechai gehörte zu ihnen. Sie waren Zyniker, die immer eine spitze Bemerkung parat hatten. Gemeinsam war allen die Wut auf die Seelenspringer, die sie in die Unterwelt gezwungen hatten, auf Homeworld Security, das mit den Aliens gemeinsame Sache machte, ihre Angst, dass man sie nach Abschluss des Projekts nicht wie versprochen in die Freiheit und ein Leben im Luxus entlassen würde, und schließlich ihr professioneller Ehrgeiz, zu zeigen, was sie vermochten, wenn man nur sie und den Chef ungestört machen ließ.
Der Chef. Sein Geist schwebte über allem, was die Wissenschaftler taten, dachten oder planten. Seine Person war nicht zu fassen. Er schien kein gewöhnlicher Mensch zu sein, eher eine allgegenwärtige, allmächtige Präsenz. Er war der und das Einzige, über das
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