Alien Earth - Phase 3
musst.
Wobei? Was hat er vor?
Er kürzt den Übergang ab, das ist alles. Und wir sollten ihm dafür dankbar sein. Die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, hätte ohnehin keinen Bestand. Sie hätte sich bestenfalls noch ein paar Jahrzehnte weitergeschleppt. Qualvolle Jahrzehnte. Er erspart uns das.
Was redest du da? Paul hätte sie am liebsten angeschrien, an den Schultern gepackt und geschüttelt. Dieses Wesen war nicht mehr die Marita, die er kannte. Marita Kahman hatte einen eisernen Willen besessen. Bereit, alles für das zu tun, was sie für richtig hielt. Marita hätte ihn, Paul, geopfert, wenn sie zum Schluss gekommen wäre, dass sein Tod nötig war. Marita hätte Millionen geopfert. Nicht zuletzt sich selbst. Marita Kahman wäre lieber gestorben, als aufzugeben. Du bist Pasongs Feldherrin, du weißt am besten, was er anrichtet. Bist du verrückt geworden?
Nein. Ich hatte nur eben eine Begegnung, die mich zum Nachdenken gebracht hat.
Mit wem?
Sagen wir, mit einem Wesen, das mir ähnelt. Einem ehemaligen Menschen. Er wird etwas sehr Kluges tun, etwas Mutiges.
Was wird dieses Wesen tun?
Lass dich überraschen. Marita hob beschwichtigend die Hand. Das ist kein dummer Spruch. Du wirst es erleben müssen, um es zu verstehen.
Wieso vertraust du diesem Wesen?
Ich spüre, dass er mein Vertrauen verdient. Und ich habe nachgerechnet. Vergiss nicht, ich bin jetzt um einige Tausend Rechenzentren klüger, die ich mir einverleibt habe. Man sieht die Dinge plötzlich aus einer anderen Perspektive. Man sieht klarer, versteht endlich. Man erkennt, dass es sinnlos ist, an Dingen festzuhalten, nur weil sie schon immer so gewesen sind. Wer bestehen will, braucht den Mut, aufzubrechen.
Immer wieder neu aufzubrechen. Ins Unerfahrene, du weißt schon … Marita begann zu verblassen. Sie lächelte. Leb wohl!
Marita, nein! Lass mich nicht allein!
Eine letzte Sprechblase erschien. Sie hing allein in der Luft. Marita war bereits verschwunden. Hab keine Angst, Paul. Du wirst leben. Irgendwie …
Dann verblassten auch diese Worte.
»Paul, wo bleibst du?«, rief Ghi. »Wieso stehst du einfach da im Schnee und führst Selbstgespräche?«
Paul schüttelte sich. »Nichts, ich habe nur geträumt. Die vielen Leben Pasongs … du weißt schon …«
Ghi lächelte. »Natürlich. Du hast einen Vorgeschmack auf das wahre Leben bekommen. Und jetzt komm! Pasong wartet auf uns.«
Ghi und Paul traten aus dem Wald. Auf dem Parkplatz, auf dem früher die Besucher der Villa ihre Autos abgestellt hatten, wartete ein Luftfisch. Er stand auf dem Heck, ragte wie ein Turm in die Höhe. Die Luke war geöffnet, und auf der Rampe stand ein dürrer, schwarzer Mann: Pasong.
Hatte er Marita womöglich bemerkt? Paul fiel es schwer, daran zu glauben, dass er es nicht getan hatte. Es gab wenig, was Pasong entging.
Wie auch immer, Pasong ließ sich nichts anmerken. Vielleicht weil er zu sehr in seinen eigenen Gedanken gefangen war. Schweigend, mit einem ernsten Nicken, begrüßte er sie. Er stand leicht nach vorn gebeugt da, als drücke ein schweres, aber unsichtbares Gewicht auf ihn. Sorgen? Resignation? Aber wieso war Ghi dann so vergnügt?
Paul war Pasongs Stimmung vertraut. Er kannte sie aus den Tagen, als er noch Alien Hunter gewesen war. Der Splitter Pasongs, der sich in ihm eingenistet hatte, war mit jedem Tag stärker geworden, bis er Paul schließlich seinen Willen aufgezwungen hatte. Pasong war eine Präsenz in Paul gewesen, die nicht zu fassen gewesen war, übermächtig und flüchtig zugleich. Aber nachts, in Pauls Träumen, hatte Pasong Gestalt angenommen. Als stolzer Herrscher hatte er Paul durch sein
Reich geführt, eine unterseeische Stadt. Sie war verlassen gewesen, hatte darauf gewartet, dass ihre Bewohner eintrafen. Der Pasong in Pauls Träumen war ernst gewesen, unnahbar. Und doch hatte Paul unter der Maske des Stolzes Traurigkeit erahnt - so wie er es in diesem Augenblick tat.
Paul dachte daran, was Marita ihm gesagt hatte, bevor sie Pasongs Splitter erneut in seine Seele gepflanzt hatte: Pasong starb. Er gab die vielen Körper, über die seine Seele verstreut war, einen nach dem anderen auf. Die Seelensplitter kehrten zu ihm zurück … bis seine Seele an einem einzigen Ort, in einem einzigen Körper vereint war? Er war der logische Schluss. Aber wozu sollte sich Pasong in einen Körper zurückziehen? Was hoffte er dadurch zu erreichen?
Pasong ließ Paul und Ghi im Laderaum zurück und verschwand im Cockpit. Der Mensch
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