Alien Earth - Phase 3
versperrte ihm den Weg zur Tür. Marita, die Projektion. Marita war halbtransparent und trug eine Uniform ohne Abzeichen. »Hast du verstanden?« Die Worte erschienen in einer ovalen Sprechblase neben ihrem Kopf, als wäre sie eine Comicfigur. Noch bevor er eine Antwort geben konnte, verblasste Marita wieder.
»Die fünf Minuten sind um, Paul!«, rief Ghi von draußen. Sie hatte nichts von Maritas Auftritt bemerkt.
»Ich komme.«
Ghi führte ihn durch den Wald, der den Garten der Villa ausmachte. Sie war aufgekratzt. Sie hüpfte auf und ab, als sie versuchte, der Spur im Schnee zu folgen, die sie auf dem Herweg gemacht hatte. Ansonsten war der Schnee unberührt. Pasong hatte ihn sechs Wochen sich selbst überlassen.
Paul folgte Ghi benommen. Er konnte den Blick kaum von ihr abwenden. Ghi war nicht Ekin. Aber es gab Momente, in denen er Ekin in ihr sah. Nicht die Ekin, die er gekannt hatte, sondern die, die er sich herbeigewünscht hatte. Die, von der er geglaubt hatte, dass sie irgendwo in ihr existieren musste. Eine Ekin, die weniger ernst war. Eine Ekin, die auf eine grimmige Welt nicht mit zusammengebissenen Zähnen, sondern mit einem verwegenen Lächeln antwortete. Die Welt war ein unschöner, oft grausamer Ort - und wenn schon? Zu sich selbst grausam zu sein, änderte nichts daran. Ghi hatte es erkannt und lebte. Paul hoffte, dass Ekin, sollte ihre Seele noch existieren, es mittlerweile ebenfalls gelernt hatte.
Die Glöckchen an Ghis TAR-21 läuteten hell bei jedem Schritt. Paul schloss für einen Augenblick die Augen und stellte sich vor, es wären Fußkettchen und nicht die Verzierung eines Gewehrs. Es gelang ihm.
Als er die Augen öffnete, ging die halbtransparente Marita neben ihm.
Paul fragte lautlos: Was ist los? Er musste den Gedanken nicht aussprechen, Marita las seine Lippen.
Pasong, antwortete Marita mit einer Sprechblase.
Was ist mit ihm?
Ich habe mich in ihm geirrt. Er ist nicht unser Feind.
Aber das heißt nicht, dass er und die Seelenspringer uns nicht töten werden. Paul warf einen schnellen Blick zu Ghi. Die Seelenspringerin hüpfte durch den Wald. Sie bückte sich ab und zu, nahm eine Handvoll Schnee auf und aß sie, ganz in Gedanken versunken, in ihren Fantasien von dem, was kommen würde. Denk an den Ausbruch aus dem Hunter-Lager, flüsterte er lautlos. Der Wald, die Mühle, Atsatun. Hast du schon vergessen? Die Seelenspringer töten, wenn sie es für notwendig halten. Alle von ihnen haben es schon getan. Um einen neuen Körper zu bekommen, um den zu erhalten, in dem sie gerade leben. Ist dir das nicht klar?
Schon. Aber …
Aber was?
Iwan. Er ist mir abhanden gekommen. Ich will keine Rache mehr. Ich will nicht, dass meine Existenz von Rache bestimmt wird. Es wäre eine Vergeudung.
Iwan. Es war ihr Schlagwort dafür gewesen, nicht aufzugeben, es den Aliens heimzuzahlen. Marita hatte den Namen aufgebracht. Iwan , so hatten sie einen Partisanen genannt, den Maritas Trupp im unerklärten Krieg im Osten gefangen genommen hatte. Gegen ihre Gewohnheiten hatten sie ihn leben lassen. Iwan hatte den Trupp begleitet, den Diener gespielt, bis er eines Nachts einem halben Dutzend argloser Kameraden die Kehle durchgeschnitten hatte und verschwunden war. Marita hatte von Iwan lernen wollen, bei den Seelenspringern unterzutauchen, ihnen zu dienen, bis ihr Argwohn verschwunden war - um dann zuzuschlagen.
Wieso? Du hast Iwan aufgebracht.
Ja. Aber überleg, was wohl aus Iwan geworden ist. Er hat meinen Leuten damals die Kehlen aufgeschlitzt und ist weggerannt. Und was kam danach? Er wird bei den Partisanen geblieben sein, in den Sümpfen und Wäldern. Wohin sollte er sonst gegangen sein? Wahrscheinlich hat er noch ein paar Kehlen aufgeschlitzt, bevor er selbst dran war. Nein, Iwan ist kein Vorbild.
Heißt das, dass du jetzt auf ihrer Seite bist?
Nein. Marita schüttelte den Kopf. Das nicht. Aber vielleicht an ihrer Seite.
Wieso erzählst du mir das? Was willst du von mir?
Verständnis. Für das, was Pasong tun wird. Hilf ihm. Wenn du das nicht über dich bringst, dann hindere ihn wenigstens nicht, auch wenn es dir schwerfällt.
Was hat er vor?, fragte Paul lautlos.
Hast du nicht von Pasongs Ultimatum gehört?
Welches Ultimatum?
Das Ende der Welt steht bevor. So ungefähr jedenfalls. Marita machte eine abfällige Handbewegung. Aber das braucht dich nicht weiter zu kümmern. Wichtig für dich ist nur, dass
das Ultimatum in weniger als zwei Stunden abläuft und du Pasong gewähren lassen
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