Alien Earth - Phase 3
das Wilbur je gesehen hatte. Und das bedeutete eine Menge: Wilbur, als Veteran der Human Company, hatte Dutzende von unmöglichen Kunststücken verfolgt - und hatte mit ansehen müssen, wie viele weitere furchtbar schiefgingen und in einem Feuerball auf der Piste der Pazifikinsel endeten oder mit einer Wasserfontäne, die Flugzeug und Piloten verschlang.
Wilbur hatte dem Jungen nie gesagt, wie viel Respekt er vor ihm hatte. Und er würde es auch jetzt nicht tun. Er gab dem Jungen die Superhero in die Hand. Das musste genügen. Nur weil die Erde am Rand des Untergangs stand, hieß das noch lange nicht, dass jetzt die Zeit für überflüssige Sentimentalitäten gekommen war. Im Gegenteil.
Wilbur tastete sich vor. Seine digitalen Finger griffen nach den Netzwerken der Erde. Er begann mit den zivilen. Wenn
überhaupt, waren sie nur notdürftig gesichert. Der Zugang zu ihnen fiel ihm nicht schwerer, als durch eine offene Tür zu gehen.
Er tat es unbeobachtet. Die Staaten der Erde, ihre Gesellschaften, befanden sich in Auflösung. Die Konfliktherde, die Wilbur zu Beginn seiner Wache auf der Superhero noch einzeln gezählt hatte, hatten sich vervielfacht, waren zusammengewachsen, bis nur noch verlorene Inseln des Friedens blieben. Sie waren winzig, im Maßstab kaum größer als die Atolle, die der Human Company einst als Basen gedient hatten und sich in der Endlosigkeit des Pazifiks verloren.
Wilbur wandte sich den Systemen der Militärs zu. Er begann in Europa. Sie waren ein leichtes Opfer. Der Ausbau des Hunter-Korps hatte die letzten Ressourcen des Kontinents aufgezehrt. Das klassische Militär hatte das Nachsehen gehabt. Während es die Partisanenkriege im Osten geführt hatte, war seine Infrastruktur implodiert. Wilbur suchte und fand die ehemaligen britischen, französischen und spanischen Atomraketen. Die Startsequenzen waren angelaufen. Die Mannschaften hatten Befehle erhalten, von denen sie glaubten, sie wären von ihren Vorgesetzten gekommen und gegen die Seelenspringer gerichtet. Wilbur wusste es besser. Sie stammten von Pasong.
Wilbur suchte weiter. Er lokalisierte die russischen, chinesischen, japanischen, gesamtkoreanischen, indischen und pakistanischen Raketen. Die Netzwerke ihrer Militärs waren besser gesichert, aber das war für Wilbur unerheblich. Sein Ziel war nicht, die Raketen unter seine Herrschaft zu bringen. Er gab sich damit zufrieden, ihre Standorte zu kennen.
Er vermerkte die Positionen der Raketenbunker und stürzte sich auf sein nächstes Opfer: die arabisch-amerikanischen Raketen. Sie waren gleichmäßig über das Territorium der USAA verteilt, wie es der Unionsvertrag vorschrieb. Im arabischen Teil fand er Raketenbunker in der Sahara, im Zweistromland und auf der saudischen Halbinsel. Im amerikanischen Teil in den Rocky Mountains, der Sierra Nevada und an der Ostküste
des ehemaligen Kanada. Weitere Raketen waren entlang der Arterie verteilt. Sie sorgten dafür, dass kein Teil der Erde länger als fünf Minuten von seiner Zerstörung entfernt war.
Doch da war noch mehr. Wilbur beschloss den Gerüchten nachzugehen, die beiden Präsidenten der USAA unterhielten separate atomare Kräfte, für den Fall, dass die Union scheitern sollte. Er wurde fündig: zuerst in Jerusalem, wo die israelische Armee Bunker unter die Altstadt gegraben hatte. Wieso die Israeli Defence Force sie nicht abgefeuert hatte, als das arabisch-amerikanische Marine-Korps die Stadt eroberte, blieb Wilbur verschlossen. Fest stand, dass die Bunker existierten und sie unter dem direkten Kommando des Ostpräsidenten standen. Oder zumindest war dieser im Glauben, denn auch diese Raketen standen jetzt unter Pasongs Befehl. Wilbur lenkte seine Aufmerksamkeit auf Nordamerika und fand die Streitmacht des Westpräsidenten in einer Industriebrache in den Außenbezirken Baltimores.
Er hielt einen Augenblick inne, dann machte er sich auf eine Suche der anderen Art. Er suchte und fand die Kommandobunker des Westpräsidenten in den Adirondacks und den des Ostpräsidenten in der Nähe der Stadt Sanaa im Bundesstaat Jemen. Er merkte sich die Orte vor. Nicht nur Atomraketen töteten Menschen.
Jagdfieber erfasste Wilbur. Sein Leben lang war er ein gewöhnlicher Mensch gewesen, einer von zehn Milliarden, ein Niemand, Kräften ausgesetzt, die stärker, mächtiger waren als er selbst. Wilbur hatte sich anpassen müssen, ducken, hatte lernen müssen, mit seiner Ohnmacht zu leben. Und jetzt … er war mächtiger, als jemals ein Mensch zuvor
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