Alien Earth - Phase 3
seit Melvin ihn in einer unterseeischen Schürfstation der Homeworld Security kennengelernt hatte. Jetzt wirkte er regelrecht ausgezehrt. Was widersinnig war: Die Verpflegung in Feuerland ließ nichts zu wünschen übrig. Für Melvin stellte sie die gesündeste Ernährung da, die er jemals genossen hatte, und er war sich sicher, dass das auch für Pinero galt. Der Latino hatte sich eher schlecht als recht als Tierarzt durchgeschlagen, bis ihm sein Hang zur Flasche in die Quere gekommen war. Eine Lawine von Anklagen wegen diverser Kunstfehler hatte ihm schließlich nur noch die Wahl gelassen zwischen Gefängnis und dem »freiwilligen« Dienst bei Homeworld Security.
Melvin mochte Pinero. Er war ein Mann mit Prinzipien, auch wenn es ihm nur selten gelang, nach ihnen zu leben. Aber das störte Melvin nicht. Er hatte noch niemanden getroffen, dem das gelungen wäre. Und außerdem hatte er es nur Pinero zu verdanken, dass er vor der Küste Oregons, wo sie Methanhydrat gefördert hatten, überlebt hatte.
Pinero holte tief Luft, stieß die Nadel ein letztes Mal durch die Speckhaut und knotete die beiden Enden des Fadens zusammen. Er tat es mit der Beiläufigkeit, mit der gewöhnliche Menschen sich die Schuhe banden.
»Fertig«, sagte er und nickte seinen Smartie-Gehilfen zu. Die beiden GenMods rollten den Operierten auf dem für sein Tonnengewicht verstärkten Operationstisch davon.
»Dann lass sehen.« Pinero wischte sich die blutigen Hände an der Schürze ab. Er trug weder Handschuhe noch Gesichtsmaske,
noch wusch er sich die Hände vor einer Operation. Unnötig bei Smarties, behauptete er, sie waren nicht so zimperlich wie Menschen. Sie konnten auf Hygiene verzichten. Es gab niemanden in Feuerland, der ihm hätte widersprechen können.
Zusammen gingen sie die Reihe der verletzten Smarties ab. Sie lagen auf Rolltragen, die - wie beinahe alles in Feuerland - aus Wrackteilen gefertigt waren. Die GenMods waren bewusstlos, der übliche Zustand nach einer Phase der Neurobeschleunigung. Es war ein Selbstschutzmechanismus, den ihre Schöpfer ihnen mitgegeben hatten. Smarties lebten das Extrem absoluter Beschleunigung, und wer das tat, musste zeitweise auch extrem ruhen: in komaähnlicher Bewusstlosigkeit, die es Eric Pinero erlaubte, sie ohne lästige Narkose zu verarzten.
»Halb so schlimm.«
»Kein Ding.«
»Wird schon wieder.«
Pinero begnügte sich mit Blicken im Vorbeigehen. Nur beim letzten Smartie in der Reihe blieb er stehen und beugte sich über den wuchtigen GenMod. Als er sich wieder aufrichtete, sagte er: »Eine Kugel ist bis zum Brustkorb durchgedrungen und hat ihn teilweise zertrümmert. Ich muss die Knochensplitter entfernen, sonst durchlöchern sie sein Herz, sobald er aus der Bewusstlosigkeit erwacht.«
Smartie-Gehilfen erschienen und begannen damit, die Bewusstlosen wegzurollen. Sie benötigten keine Behandlung. Die Gewehrkugeln waren in ihrem dicken Fettgewebe stecken geblieben. Dort würden sie auch bleiben, während ihr Gewebe eine schützende Kapsel um sie herum bildete. Das genügte für gewöhnlich. Sollte eine Kugel wider Erwarten Beschwerden verursachen, würden Pineros Smartie-Gehilfen sie herausoperieren. Sie waren inzwischen so weit, um einfache Eingriffe selbstständig durchzuführen.
»Gut.« Melvin nickte.
»Du wirkst nicht gerade begeistert«, bemerkte der Arzt.
»Sollte ich das?«
»Eigentlich schon. Wenn ich es richtig sehe, habt ihr über einhundert Seelenspringer gerettet - um den Preis von sieben Verletzten.«
Und um den von Tausenden von Menschenleben! Von einer Atombombe getötet, die von unserem Luftfisch aus abgeworfen wurde, dachte Melvin, aber er sprach den Gedanken nicht aus, so sehr es ihn auch drängte, sich einem anderen Menschen mitzuteilen. Melvin war klar, dass damit nichts gelöst wäre, dass weder der Arzt noch er selbst in der Lage wären, die Smarties oder die Seelenspringer dazu zu bringen, auch nur einen Fingerbreit von ihren Plänen abzuweichen. Aber wenigstens müsste er das furchtbare Wissen nicht länger mit sich alleine herumtragen. Doch vorerst musste er sich gedulden, zu viele Smarties würden ihn hören können. Melvin reckte sich betont langsam und gähnte. »Du hast recht. Es ist nur … ich bin so müde.«
»Natürlich bist du das«, entgegnete Pinero, ganz der Arzt. »Die Neurobeschleunigung. Du hast deinen Körper überfordert. Du solltest dich schlafen legen wie die Smarties.«
»Schon. Nur …«
Melvin kam nicht weiter.
»He, was fällt
Weitere Kostenlose Bücher