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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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gelockt hatte, stellte die Erste Wahrheit vermutlich die einzige Möglichkeit dar, zu einem Bewahrer zu werden. Doch kaum hatte Alissa das Buch im Brunnen der Feste gefunden, wo ihr Papa es vierzehn Jahre zuvor versteckt hatte, da hatte Bailic es auch schon an sich gerissen.
    Sie würde eher sterben, als das Buch endgültig Bailic zu überlassen, doch sie würde es sich nicht heute zurückholen, und schon gar nicht unter dem Vorwand, in Erfahrung bringen zu wollen, was Bailic zum Frühstück wünschte. Dass der gefallene Bewahrer ihr Buch dazu benutzen wollte, Hochland und Tiefland in einen Krieg zu stürzen, kam ihr fern und beinahe unwirklich vor im Vergleich zu ihrem schlichten Begehren, das Wissen des Buches selbst besitzen zu wollen. Ihr Buch lag nun in Bailics Gemächern und war damit für sie so unerreichbar, als ruhte es auf dem Meeresgrund. Doch seit sie es einmal berührt hatte, schien es eine noch stärkere Anziehung auf sie auszuüben.
    Ungeduldig strich Alissa sich das Haar aus den Augen und starrte die Treppe hinauf, hin- und hergerissen; erstens ärgerte sie sich, weil sie den Grund für ihre Rastlosigkeit nicht eher erkannt hatte, und zweitens machte es ihr Sorgen, dass sie so empfänglich für diesen Lockruf war. »Vielleicht«, hauchte sie und ballte die Hände zu Fäusten, um das Kribbeln zu vertreiben, »frage ich Bailic trotzdem, was er zum Frühstück möchte, nur, um mein Buch kurz anzusehen.« Sie raffte ihre Röcke und erklomm eine weitere Stufe, unfähig, sich zurückzuhalten. »Ich werde ja nicht hineingehen. Nur von der Tür aus einen Blick darauf werfen.« Die Erste Wahrheit gehörte von Rechts wegen ihr. Wie konnte Bailic, Bewahrer oder nicht, es wagen, Anspruch darauf zu erheben? Er konnte es ja nicht einmal aufschlagen.
    Ein gedämpftes Zwitschern drang die Treppe herauf. Mit hämmerndem Herzen fuhr sie herum, denn es war ihr peinlich, dass sie dem Ruf des Buches wieder einmal so leicht erlegen war. Ihr Buntfalke, Kralle, landete an der rauen Wand und klammerte sich mühsam daran fest, denn die Windung der Treppe war zu eng, um sie im Flug zu bewältigen. Alissas Entschlossenheit erlahmte. Kralle hasste Bailic. Wenn er in Hörweite war, begann sie oft drohend zu zischen und zu schimpfen. Eine Unterhaltung mit Bailic zu führen, und sei diese noch so steif und aufgesetzt höflich, würde unmöglich sein, solange ihre kleine Beschützerin in der Nähe war.
    Sie straffte die Schultern und machte sich entschlossen auf in Richtung Küche. »Runter von dieser Wand«, sagte sie säuerlich, als sie an dem amselgroßen Vogel vorbeikam, der sich immer noch an der Mauer festkrallte. »Das sieht sehr albern aus.« Der Falke zwitscherte und hüpfte flatternd auf Alissas Schulter, als hätte er verstanden. Alissa strich mit dem Zeigefinger über die Musterung seines Gefieders, verblasst vom Alter. Gemeinsam stiegen sie stumm hinab ins Erdgeschoss und betraten die große Halle der Feste. Der Raum erstreckte sich weit in die Höhe. Im ersten, zweiten und dritten Stock führte eine offene Galerie um den riesigen Saal. Alissas Schritte hallten von den kahlen Wänden wider. Sie durchquerte den leeren, unbenutzten Speisesaal und betrat die kleinere der beiden Küchen. Diese war immer noch größer als ihr ganzes Haus im Vorgebirge.
    Als sie sich hinabbeugte, um das schon lange brennende Feuer neu zu schüren, sprang Kralle von ihrer Schulter und landete geschickt auf dem Kronleuchter. Der metallene Kerzenhalter schwang an seiner Kette leicht hin und her, und der Vogel verschob den Kopf von einer Seite zur anderen, um Alissa im Blick zu behalten. Alissa wandte sich wieder dem süßen Brötchenteig zu, den sie zuvor angesetzt hatte. Niedergeschlagen knetete sie daran herum. Zu wissen, dass ihr Buch sie dazu verlockt hatte, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um es zurückzubekommen, wirkte nicht gerade erhebend auf ihr Selbstvertrauen. Selbst jetzt begann dieses kribbelige Gefühl schon wieder an ihr zu nagen und drängte sie dazu, erneut die Treppe hinaufzusteigen.
    Alissa strich sich eine lose Strähne hinter das Ohr und blickte zum einzigen, schmalen Fenster der Küche auf, das sich hoch über ihrem Kopf befand. Sie schloss die Augen, atmete dreimal langsam durch, wie ihr Papa es ihr beigebracht hatte, um das Gefühl der Rastlosigkeit zu vertreiben. Sie öffnete die Augen. Der graue Lichtfleck war merklich heller geworden. Bald würde die Sonne aufgehen. Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie sich mit

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