Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
auf sie – »war ein Unfall. Ich kann sechs von ihrer Art hervorbringen, binnen zwei Jahrhunderten. Und, bei den Wölfen, ich werde meine Sache besser machen als Talo-Toecan.«
Yar-Taw biss die Zähne zusammen und trat einen weiteren Schritt vor. »Uns bleiben keine zweihundert Jahre«, sagte er angespannt. Beso-Ran stellte sich leise hinter ihn und gab ihm Kraft.
»Sie lebt noch«, keuchte Strell, und Yar-Taw hörte an der Qual in seiner Stimme, wie fest ihr unglückseliges Band geworden war.
Keribdis schürzte die Lippen, und Yar-Taws Frustration schwoll an. »Ich glaube, es war ein Fehler, dir das Privileg zuzugestehen, die nächste Transformantin unterweisen zu dürfen«, sagte er und stellte befriedigt fest, dass Keribdis’ Gesichtszüge vor Überraschung entgleisten. »Ich glaube, wenn du das hier nicht getan hättest, dann hättest du sie eben ganz langsam erdrückt, so dass wir es nicht gemerkt hätten«, fügte er hinzu, und sein Kiefer schmerzte vor Anspannung. »Ich glaube, du hattest Angst vor ihr.«
Obwohl er sich bemühte, ruhig zu bleiben, wurden seine Worte lauter. »Ich glaube, du wolltest einen Transformanten, den du allein kontrollierst«, sagte Yar-Taw und trat so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten, ohne sich darum zu scheren, dass sie weiß vor Wut geworden war. »Und als Talo-Toecan«, brüllte er, »eine Transformantin herangezogen hat, besser, als es dir je gelungen wäre, als er sie zu jemandem gemacht hat, den du nicht manipulieren konntest, da hast du sie umgebracht!«
»Sie ist nicht tot!«, rief Strell verzweifelt. »Sag mir doch bitte endlich jemand, wie ich ihr helfen kann!«
Yar-Taw starrte schweigend Keribdis an. Dass Alissa noch lebte, war ein Wunder, doch kein Meister konnte ohne eine Quelle überleben. Und dem Tiefländer das zu sagen, ging im Augenblick über seine Kräfte.
Keribdis schnaubte. »Sie war wahnsinnig. Ihr habt es gesehen! Ihr alle habt es gesehen!«, rief sie und wich einen Schritt zurück. »Sie hatte noch ihr wildes Bewusstsein! Seid ihr denn blind?«
»Jetzt nicht mehr.« Yar-Taw rückte seine Schärpe zurecht und spürte die Unterstützung der Meister, die sich hinter ihm aufbauten.
Keribdis stammelte vor ungläubiger Wut. »Sie … hat euer aller Pfade verletzt, während ich ihre Kraft in meiner Hand hielt!«, tobte sie. »Ihr wärt jetzt nicht mehr am Leben, wenn sie in diesem Augenblick ihre Quelle besessen hätte!«
»Keiner von uns wäre verletzt worden, wenn du ihr nicht die Quelle entrissen und wie ein noch schlagendes Herz vor die Nase gehalten hättest.« Yar-Taw hörte Strell entsetzt nach Luft schnappen, als der Mann endlich begriff, was geschehen war. »Sie hätte viel Schlimmeres tun können. Hat sie aber nicht.« Yar-Taw trat einen weiteren Schritt vor. » Du bist die Bestie, Keribdis. Du hast Alissas Seele ihre Quelle entrissen. Die Strafe für ein solches Verbrechen ist niedergeschrieben.«
Einen Herzschlag lang starrte Keribdis ihn ungläubig an. »Sie wollte uns alle zerstören!«, rief sie aus. »Hast du das denn nicht gesehen?«
Yar-Taw beruhigte sich und zwang seine Übelkeit zu verschwinden. Er konnte den Rest des Konklaves hinter sich spüren, und ihre Zustimmung streifte den Rand seiner verletzten Pfade. Sein Atem floss langsam und gleichmäßig. »Die Strafe dafür, einem anderen bei lebendigem Leib die Quelle zu rauben, ist die zwangsweise Verwilderung, Keribdis.«
Keribdis blinzelte ungläubig. »Das würdest du nicht tun«, hauchte sie. »Das kannst du nicht. Ich hatte recht mit dem, was ich getan habe, und das weißt du auch. Ihr seid Feiglinge!«, rief sie und zeigte auf die anderen. »Ihr wart zu ängstlich, die notwendige Entscheidung zu treffen. Sie war ein Fehler! Sie hätte gar nicht erst geboren werden dürfen!«
»Sie war eine Meisterin, Keribdis. Und du hast ihr die Quelle geraubt.«
»Sie war ein Halbblut aus dem Hochland, das Talo-Toecan als Meisterin verkleidet hat, um den Lehrer zu spielen!«
Strell rang schluchzend nach Atem, und Yar-Taw spannte sich. »Sie war – eine Meisterin«, sagte Yar-Taw betont. »Eine, die du nicht kontrollieren konntest, und deshalb hast du sie getötet.« Sein Blick wurde hart. »Du bist hiermit für schuldig befunden und verurteilt, Keribdis.«
Keribdis wurde kalkweiß. Einen Moment lang sah Yar-Taw Furcht in ihren Augen. Sie verlor ihre arrogante Haltung, als er das kollektive Nicken der Meister hinter sich spürte. Dann straffte sie die Schultern, und ihre
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