Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
ihre Fingerspitzen an sein Kinn.
Alissas Laune wurde noch düsterer. Lodesh auch?, dachte sie.
Strell fuhr zusammen. »Schiff? Woher willst du wissen –«
Lodesh ließ Lacys Hand los, trat zurück und verbeugte sich schwungvoll. »Das sagt mir die Musik ihrer Schritte«, unterbrach er Strell. »Ein solcher Wohlklang kann nur bedeuten, dass sie ein Schiff besitzt.«
Alissa, die Lacy kein bisschen mochte, zog sich an Connen-Neutes Ellbogen zurück. Wenn Strell und Lodesh sich zu Narren machen wollten, sollte ihr das recht sein. Diese Frau mit ihren Glöckchen und ihrem Kind stellte keine Bedrohung dar. Offensichtlich unglücklich über Alissas Rückzug, trat Strell von einem Fuß auf den anderen. Lacy hingegen strahlte, denn sie meinte offenbar, einen Punkt errungen zu haben – welches Spiel auch immer sie gerade spielte.
»Ma’hr Lodesh hat ganz recht«, sagte sie und schüttelte unter dem Rock leicht ihren Fuß. Alissa stellte befriedigt fest, dass ihr Klingeln nicht halb so schön klang wie das ihrer eigenen Glöckchen. »Ich habe ein Boot«, sagte Lacy. »Ein Boot und einen Ehemann, der es für mich steuert. Es ist ein kleines Schiff, aber groß genug, um es auch im Winter die Küste hinauf zu schaffen, wenn es sein muss.« Lacy beugte sich vor, und ihr Blick wirkte traurig. »Ich dachte, das sei es, was ich im Leben wollte, aber wenn ich ehrlich sein soll, vermisse ich meinen Mann meistens sehr.«
Strells Gesichtszüge erschlafften vor Schreck, und er wich einen Schritt zurück. »Du machst gar nicht den Eindruck, als würdest du leiden, Lacy«, sagte er mit einem Blick auf ihre Tochter. Dann stutzte er und sah sich das Kind genauer an. Als Lacy sein Stirnrunzeln bemerkte, schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Strell atmete erleichtert auf, und Alissas Augen weiteten sich. Plötzlich hatte Lacys Spielchen eine völlig neue Bedeutung bekommen.
»Du tust mir weh«, klagte Connen-Neute in ihren Gedanken, und Alissa zwang sich, den Klammergriff um seinen Arm zu lockern.
Das Kind auf Lacys Hüfte begann zu quengeln, und die Frau wiegte es auf und ab. »Ich habe im Frühling geheiratet, nachdem du fortgegangen warst. Das ist die kleine Mantia, sie ist im Herbst darauf zur Welt gekommen. Wenn ich gewusst hätte, dass du bleibst –«
»Ich bin weggezogen«, protestierte Strell. »Ich hatte nicht die Absicht, hierher zurückzukommen.«
»Ihr habt Eure Tochter nach einem Fisch benannt?«, fragte Alissa dazwischen.
Lacy lächelte, und Alissa zwang sich, ruhig weiterzuatmen. »Nach einem wilden Teufelsrochen«, erklärte die zierliche Frau stolz. »Wie sie einer sein wird. Sie ist jetzt schon der Schrecken des Hafens. Ihr Gesang ist bis zur Hauptstraße zu hören, wenn sie Hunger hat.« Wieder ließ sie das Kind auf ihrer Hüfte hüpfen, dass ihre Glöckchen bimmelten, und Lacy blickte strahlend von ihrem Kind zu Strell auf. »Ich muss mich heute um die Abrechnungen kümmern, aber ich kann Tia nach Hause schicken, damit sie dein Zimmer richtet. Deine Freunde sind natürlich auch willkommen.«
Strell rieb sich das Kinn, und sein Lächeln wirkte steif. »Wir, äh, hatten vor, in einem Gasthaus zu wohnen. Dort ist es für mich leichter, Geld zu verdienen.«
Aufrichtige Enttäuschung dämpfte Lacys begierige Vorfreude. »Oh. Ich verstehe. Wo wohnt ihr denn? Dann komme ich vorbei und kaufe ein Lied von dir.« Ihr Lächeln wurde anzüglich, und Alissa spürte, wie Zorn in ihr hochkochte. »Du weißt ja, welches ich will, Strell.«
Strell warf Alissa einen Seitenblick zu, und als er ihren Gesichtsausdruck sah, wirkte sein Lächeln nur noch aufgesetzt. »Wir, äh, haben uns noch nicht entschieden. Hat Kole seine Decke inzwischen repariert?«
Lacy nickte, und Connen-Neute löste Alissas Finger von seinem Arm. »Ich weiß zufällig, dass er gerade keinen Spielmann im Haus hat«, fügte die Frau hinzu, die Alissas Ärger offenbar sehr wohl bemerkte. »Und selbst wenn, würde Kole ihn hinauswerfen, wenn er erfährt, dass du zurück bist.«
Strell nickte energisch. »Dann gehen wir dorthin.«
Alissa erstarrte, als Lacy wieder mit dem Finger über seinen Bart strich, um ein paar Regentropfen abzuwischen. »Ich wünschte, der wäre für mich«, sagte sie. Sie reckte sich, um ihn erneut zu umarmen, und Strell trat einen Schritt zurück. Lacy biss sich in verlegenem Schweigen auf die Unterlippe, und ihre Tochter, geblendet von der Sonne, begann zu weinen. »Dann wünsche ich dir Glück, Strell«, sagte sie, lächelte
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