Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Titel: Alissa 4 - Die letzte Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
Vom Netzwerk:
erstarren ließ. Connen-Neute und Lodesh erwischten die beiden anderen. Der Schiffsjunge brach schluchzend auf dem Deck zusammen.
    »Hört auf damit, Connen-Neute anzugreifen!«, schrie sie. »Wir segeln zu den Lumpeninseln, ob es euch gefallt oder nicht!«
    Sie löste ihren Bann, wandte den Männern bewusst den Rücken zu und verließ sich darauf, dass deren eigene Angst und Lodeshs Wachsamkeit sie schützen würden. »Bestattet die Toten, und setzt die Segel!«, befahl sie und stapfte davon. Innerlich schluchzte sie noch verzweifelter als der Junge. Alles verschwamm ihr vor Augen, und sie trat an den Bug, damit niemand ihre Tränen sah. Hinter ihr flehten die Dockmänner wieder Mirim um Beistand an. Mirim, dachte sie bitter. Die wussten ja nicht einmal, dass sie sich in ihrer Angst an eine Meisterin wandten.
    Kralle fiel vom Mast herab auf ihre Schulter, und Alissa strich mit dem Zeigefinger über die kleinen Krallen, die sich durch ihren Kittel bohrten. Verzweifelt, zornig und frustriert starrte sie auf den Horizont, während die Männer hinter ihr flüsternd die Toten der See anvertrauten. Vom Geruch des Blutes auf dem Deck wurde ihr schlecht. Sie stand allein da, weigerte sich, an dem Ritus teilzunehmen, wollte ihn gar nicht wahrhaben. Wie sollte sie die Mannschaft daran hindern, sie alle bei der erstbesten Gelegenheit umzubringen?
    Sie ließen sie in Ruhe, während sie dicht hinter ihr das Stagsegel setzten. Das kleine Großsegel hinter dem abgesenkten Steuerdeck straffte sich, und sie nahmen langsam Fahrt auf. Es drehte ihr den Magen um, als sie harte Borsten auf Holz scheuern hörte – der Junge schrubbte das Blut der beiden toten Männer vom Deck. Er weinte immer noch, und seine Tränen vermischten sich mit dem Wasser auf dem Deck.
    Sie drehte sich nicht um, als Lodesh zu ihr trat. Lange sagte er nichts. »Wie nah sind die Inseln?«, fragte er schließlich, offenkundig besorgt.
    »Nah genug, um hinzufliegen, wenn ich genau wüsste, wohin ich fliegen muss«, antwortete sie tonlos. Nah genug, um jede Nacht von Silla zu träumen, dachte sie. Nah genug, um der jungen Frau vor Angst den Schlaf zu rauben, jede … verfluchte … Nacht. Sie sah Lodesh an. Schmerzliches Verständnis lag in seinem Blick.
    »Ich wollte sie doch nur finden«, flüsterte sie und spürte, wie heiße Tränen in ihr aufstiegen. »Jetzt sind drei Menschen tot, und die Küste wird bald wissen, dass Meister und Rakus ein und dasselbe sind.« Sie wischte sich mit einem Zipfel ihres Ärmels die Augen. »Warum tue ich das überhaupt?«
    »Um Talo-Toecan glücklich zu machen«, flüsterte er.
    Sie nickte, und Lodesh legte ihr beruhigend einen Arm um die Schultern. In seiner Berührung lag keine versteckte Absicht, also lehnte sie den Kopf an seine Schulter und ließ sich von ihm im Arm halten. Um Nutzlos glücklich zu machen. Ja. Aber sie war ziemlich sicher, dass er über das, was sie getan hatten, gar nicht glücklich sein würde.

 
    – 13 –
     

    A lissa saß im Bug des Schiffes und wartete niedergeschlagen darauf, dass Connen-Neute von seinem morgendlichen Erkundungsflug zurückkehrte. Sie hatte die Knie bis unters Kinn gezogen und die Arme um die Beine geschlungen. Kralle hockte auf der Reling, als wollte sie ihre Herrin nicht allein lassen. Ein hellrotes Seidentuch flatterte hinten an der Krempe ihres Hutes. Connen-Neute hatte es ihr geschenkt, um ihren Nacken vor der Sonne zu schützen, doch das spielte kaum mehr eine Rolle. Nach so vielen Tagen auf See war ihre Haut so dunkel geworden wie Strells.
    Rechts von ihr ragte das graue Stagsegel so hoch auf, dass ihr schwindlig wurde, wenn sie daran emporblickte; links von ihr erstreckte sich das Blau von Meer und Himmel. Es war derselbe Himmel, dasselbe Meer, dasselbe Schiff. Doch alle Freude daran war verflogen.
    Connen-Neute hatte auf seinen täglichen Flügen nichts gefunden. Ihre geistige Suche war nur ein Ruf ins Dunkel. Ihre Träume von Silla waren höchstens noch bruchstückhaft, denn Sillas Angst riss sie beide aus dem Schlaf, wann immer sich ihre Gedanken trafen. Alissa hatte sich darauf verlassen, dass Silla ihr helfen würde, die genaue Lage der Insel festzustellen, doch darauf konnte sie nicht mehr zählen.
    Leise Stimmen erhoben sich hinter ihr, doch sie drehte sich nicht um, denn sie erkannte, dass Strell und Lodesh sich im Steuerdeck unterhielten. Strells Seekrankheit hatte stark nachgelassen. Er spielte eine seltsame Melodie auf seiner Flöte, um sie aus der Ferne

Weitere Kostenlose Bücher