Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
wie sie ihm erzählt hatte, aber forthin auch kein abgeschiedenes Leben als katharische Reine zu führen, gefiel ihm. Man musste nicht täglich danach trachten, das Himmelreich an sich zu reißen und das Diesseits zu verachten.
Wenn nur die Franzosen nicht gekommen wären, dachte er bei sich. Was mochte der Krieg bringen? Am Ende gar den Jüngsten Tag, wie viele vermuteten? Villaine seufzte. Sein Herr, der Trencavel, der sehr belesen war, hatte ihm einst von den sechs Zeitaltern erzählt, die bereits vorüber waren. Das erste hatte mit Adam begonnen, das zweite mit Noah, das dritte mit Abraham, dann war Moses gekommen, gefolgt von König David und Jesus Christus. Doch im siebten, im siebten würde die Welt untergehen, hatte er erzählt. Ob es bereits eingeläutet war? Und wer würde seinen Namen dafür hergeben? Der Papst in Rom, dieser wahre Teufel, der mit seinen französischen Heerscharen gekommen war, um Okzitanien auszulöschen?
Villaine drückte die Brust durch und atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sich zu beruhigen, dann beugte er sich vor und tätschelte sein Ross. Dennoch - Hand aufs Herz - war die Welt nicht schön, gerade in diesem Augenblick? Das Wetter war prächtig; in den Wäldern roch es grün; auf den Wiesen leuchtete der Klatschmohn; und die Singvögel - ja, die flöteten so herrlich, dass Villaine sie am liebsten für einen Auftritt vor dem „Kaiser von Sonstwo und Überall“ verpflichtet hätte.
Und neben ihm ritt Alix, das herrlichste Weib von allen. Was verlangte der Mensch mehr!
Villaine warf einen Blick auf sie. Stolz wie Frau Fortuna saß sie auf ihrem Rappen - er hoffte nur, dass sie nicht so wankelmütig wie diese war! Die Nase hoch, das scharlachrote Mieder eng geschnürt, ein langer zipfeliger Rock. Keine Stoppelhaare, sondern ein dicker schwarzer Zopf, der ihr weit über den Rücken fiel und mit allerlei Stoffblüten besteckt war.
Seine Frau!
Der Spielmann lachte in sich hinein. Nun, ganz so wie in seinen Träumen verhielt es sich natürlich nicht.
„Versteht mich richtig, Villaine“, hatte sie gesagt, und ihn mit ihren klugen Augen angesehen. „Ich gebe mich nur als die Eure aus, damit man mich im Lager respektiert und mich nicht für eine der elenden Trosshuren hält, die sich mit dem Gesindel herumtreiben. Und was die Tanzsprünge und die Liedgesänge angehen, die ich beherrschen muss, so macht Euch darüber keine Gedanken. Was ich heute nicht kann, lerne ich morgen.“
Villaine hatte nur genickt. Beim bärtigen Ganymed!
In Valence vereinigte sich das riesige Heer mit den vom Grafen von Toulouse bereitgestellten Truppen, deren Eid sie ebenfalls zu vierzig Tagen Kriegsdienst verpflichtete.
Das Stoffkreuz auf dem Wappenrock, ritt der Graf dem Kreuzzugsheer voraus. In Aurenja, Arles und weiteren Städten empfing man ihn mit weit geöffneten Toren. „Unser Lehnsherr kommt, der gute Raymond von Toulouse“, hieß es allenthalben. Die Menschen hingen an ihm und seinem Sohn in großer Treue. Nicht alle verstanden, weshalb er die Seiten gewechselt hatte, und sie bedrängten ihn heimlich zum Widerstand.
Arnaud Amaury, der geistliche Führer des Kreuzzugs, beäugte das Treiben misstrauisch. Er beriet sich mit den anderen Würdenträgern, dem Herzog von Burgund und weiteren Baronen - worunter sich einer besonders hervortat: Simon von Montfort, ein frommer Graf und Ritter aus Paris, ein ernster Mann von großer Tapferkeit, wie es hieß.
Auf Montforts Rat hin nahm Amaury den zwölfjährigen Sohn des Grafen von Toulouse als Geisel und überstellte den Knaben in kirchliche Obhut. Mit dieser Maßnahme hoffte man den Tolosaner endgültig zu zügeln.
Vor jedem Stadttor, vor dem das Heer Halt machte, trat nun Amaury selbst vor die Menschen, um lautstark das Versprechen zu verkünden: „Wer bereut und abschwört, wird verschont!“
Sein anfängliches Erstaunen, dass niemand in den Kreuzfahrern „Befreier von einem verhassten Glauben sah“, wich bald großem Zorn, als er merkte, dass die Leute ihm weiter Widerstand leisteten und seinen Glaubenseifer nicht ernst nahmen. Nicht nur die Katharer sahen in seinem Heer den „bösen Feind der Finsternis“, dem es sich zu widersetzen galt. Kaum einer wurde wankelmütig und entsagte seinem Glauben. Erste Scheiterhaufen loderten. Christen brannten – Katharer und Katholiken, weil letztere sich weigerten, ihre andersgläubigen Freunde auszuliefern. Die Kreuzfahrer wussten nichts von der Paratge – und dass diese edle Tugend den
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