Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
befahl Rashid. Esther stürzte nach draußen. Doch er hatte die Wunde noch nicht ganz freigelegt, als Bartomeu von Cahors sich aufbäumte und verschied.
Der Bossu weinte dicke Tränen, Rotz floss ihm aus der Nase.
17.
Nebel lag über dem Fluss Orb, am frühen Morgen vor dem Festtag der Heiligen Maria Magdalena, als das Kreuzzugsheer die Hügel im Osten in Besitz nahm.
Ein taktisch gut gewählter Platz, von dem aus die Heerführer die drei wichtigsten Stadttore im Auge hatten, das des heiligen Saturninius, des heiligen Wilhelm und des heiligen Ägidius.
Von den Zinnen des vizegräflichen Palastes in Béziers aus, beobachteten Alix und Esther den Aufmarsch der Truppen.
Esther deutete hinüber auf die Hügel. „Dass das Heer uns so schnell einholt, hätte ich nicht erwartet!“ Die Jüdin sah schlecht aus, abgespannt, müde. „Nun sitzen wir hier fest. Väterchen hatte recht: ´Es wird nicht eher hell, als bis es ganz dunkel geworden ist`.“
„Hab Vertrauen, liebe Freundin“, sagte Alix und legte den Arm um Esthers Schulter. „Villaine wird ein Ausfalltor finden, aus dem wir uns davonstehlen können. Bislang ist Béziers noch nicht völlig umzingelt. Aber ich möchte mir nicht ausmalen, was geschehen wäre, hätten wir gestern Abend den Trencavel nicht rechtzeitig gewarnt.“
Esther seufzte. „Er wird doch hoffentlich in Sicherheit sein? Mir waren schier die Tränen in den Augen gestanden, als er an der Spitze des langen Zuges aus der Stadt ritt. So stolz saß er auf seinem Ross, der hochedle Herr, so stolz! Und dann das Mondlicht, hast du es nicht auch gesehen? Es war, als sei es einzig dafür geschaffen worden, sein Haar wie Gold aufleuchten zu lassen.“
Alix warf ihr einen erstaunten Blick zu. Schmachtete selbst Esther Raymond-Roger an?
„Wirklich, wie Moses sah er aus“, schwärmte die Jüdin weiter, „wie Moses, als er die Seinen durchs Rote Meer führte.“
„Nun, der Vergleich ist so falsch nicht“, sagte Alix mit belegter Stimme. „Schließlich bringt er deine Leute, die Juden, nach Carcassonne. Weshalb hast du dich nur geweigert, mit ihnen zu ziehen? Du könntest jetzt auch in Sicherheit sein.“
„Du weißt es doch. Der Junge ist mir davongelaufen! Ich will ihn mit dir suchen ... Aber nun sieh doch, Alix! Sie rücken näher und näher an die Stadtmauern heran, und diese wüsten Rotten vorneweg. Ich sage dir, die Kerle haben Blut geleckt, als sie Servian plünderten!“
Mit besorgter Miene starrten die Frauen auf den Wald von Panzerhemden, Helmen und Lanzen, der die Hügel und jetzt auch das Tal bedeckte. Doch als Alix` Blick auf die Sänften und bunt herausgeputzten Pferde der Bischöfe und Würdenträger fiel, auf ihre gestickten Paramente, damaszierten Kreuze, Monstranzen und funkelnden Reliquienkästen, sah sie wieder Bartomeu vor sich.
Plötzlich erschallte es schaurig-schön aus tausend Kehlen:
„Veni, creator Spiritus
Mentes tuorum visita,
imple superna gratia,
quae tu creasti pectora.”
Ein Frösteln ergriff die beiden Frauen. Esther griff nach Alix` Hand. Als die Kreuzfahrer bei der dritten Strophe angekommen waren, die da hieß:
Dich sendet Gottes Allmacht aus im Feuer und im Sturmes Braus,
du öffnest uns den stummen Mund und machst der Welt die Wahrheit kund .
Hatten beide erneut das Schreckliche vor Augen, das vor zwei Nächten geschehen war.
Diese Wahrheit durfte die Welt nicht erfahren!
„Wir müssen fliehen, und den Toten mit uns nehmen, bevor eure Tat ruchbar wird“, hatte Rashid sie beschworen, nachdem er Bartomeu die Augen geschlossen hatte.
Alix, in deren Kopf noch immer Leere herrschte, erschrak über das wilde Aussehen des Mauren. So hatte sie ihn nur einmal erlebt, damals, als er sie bei Mordechai Löw entdeckt hatte. „Das ... das wollt Ihr für mich tun?“
„Wir reden später, jetzt muss gehandelt werden! Packt all das zusammen, was einen Verdacht auf euch lenken könnte. Das Zelt und den Wagen lasst hier. Die Meute wird sich morgen darauf stürzen, noch bevor der Sidi vermisst wird. Wieviele Pferde habt Ihr bei euch?“
„Drei, und zwei Maultiere“, antwortete Villaine.
„Gut, ein Maultier für den Bossu, das andere für die Leiche. Ich reite das Pferd des Erzbischofs, das meine überlasse ich einem von euch. Der Zeitpunkt für eine Flucht ist günstig, die Ribaldis sind trunken vom Wein, den sie erbeutet haben. Später lassen wir die Maultiere laufen, damit wir schneller vorwärts kommen. Einer von euch muss dann den Bossu auf
Weitere Kostenlose Bücher