Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
hoch, warfen sich über sie.
Alix bebte vor Angst, als sie plötzlich den Kerl hinter sich auf jene besondere Weise schnaufen hörte, die ihr so vertraut war. Der Hals wurde ihr eng, der Mund wie ausgetrocknet.
Das Keuchen hinter ihr wurde lauter, schneller ...
Da riss sich Alix aus ihrer Lethargie. Sie war nicht in Cahors! Und ein zweites Mal würde sie sich nicht demütigen lassen! Lieber sterben. Sie spannte die Muskeln an, zog beim Aufspringen mit einem Ruck und einer leichten Drehung die Saufeder aus dem Kopf des Toten - es ging leichter, als gedacht - , wandte sich blitzschnell um und stieß die Waffe dem Bärtigen - der seine Hand so schnell nicht aus der Bruche ziehen konnte - mit einem Aufschrei in den Unterleib.
Den Mund und die Augen überrascht aufgerissen, stürzte der Kerl vornüber und krachte mit dem Kopf auf den eisernen Brunnenrand.
Ein lautes knackendes Geräusch, nichts weiter. Wie bei Bartomeu, dachte Alix verwundert. Erst als ihr ein bitterer Geschmack von Galle in den Mund kam, erwachte sie aus ihrer Starre ... O, Heilige Jungfrau von den Tischen, was hatte sie nur getan? Vor zwei Nächten erst mitgeholfen, Bartomeu in eine Schlucht zu werfen und heute erstach sie einen Kreuzfahrer. Das Fegefeuer war ihr gewiss. Doch noch während sie sich erbrach, dachte sie, dass sich die Hölle ja bereits hier befand, in Béziers.
Ohne sich zu vergewissern, ob jemand sie beobachtete, und ohne daran zu denken, dass das Vergiften eines Brunnens mit einem Kadaver als schweres Verbrechen galt, packte sie den Bärtigen an den Füßen und kippte ihn mitsamt der Lanze in den Brunnen. Er ging unter wie ein Stein. Nur fort mit ihm, bevor Jean zurückkam.
Als sich die Wasseroberfläche beruhigte, bemerkte Alix, dass sich darin etwas spiegelte. Sie warf einen Blick nach oben, stutzte ... Vorsichtig sah sie sich um.
20.
Villaine saß im Dreck!
Nachdem er auf dem Weg zum Brunnen über unzählige Leichen gestolpert war, hatte er im Gewühl der Flüchtenden und Mordenden seine Leute aus den Augen verloren. Wo immer er sich nach ihnen umsah, wo er sie auch suchte, begegnete er Leichenteilen: Gliedmaßen, Rümpfe, Gedärm, über die es zu steigen galt, wollte er vorankommen in der Stadt. Ein unsäglicher Gestank lag in der Luft.
Als die Sturmglocken zu läuten begannen und seine Angst, selbst eine Lanze oder einen Pfeil in den Rücken zu bekommen, zu groß wurde, verdrückte er sich in eine enge Gasse, die von den Horden bereits verlassen war. Alle Häuser waren tot, die Türen aus den ledernen Angeln gerissen, verheert von den Plünderern. Zurückgelassenes Gerümpel quoll zu den Eingängen heraus oder lag mitten auf der Straße.
Bald stieß er auf ein altes Gänsegatter, das, halb verborgen von einenmWeißdornbusch, im rechten Winkel an einem kleinen Haus lehnte. Dort schlüpfte er hinein.
Die aufgeregt schnatternden Gänse - von den Ribaldis aus unerfindlichen Gründen verschmäht - ließ Villaine frei. Kreischend und flügelschlagend stoben sie die Gasse zum Fluss hinunter. Einzig den Ganter behielt er bei sich. Verirrte sich doch noch ein Kreuzfahrer hierher, so würde Villaine das Gatter öffnen und das Vieh den Gänsen hinterherschicken, um von sich abzulenken.
Das Schlimmste für den Spielmann war nicht der scharfe übelriechende Gänsedreck, auf dem er hockte, sondern das beschämende Gefühl, Alix und Esther im Stich zu lassen, indem er sich hier versteckte. Zwar hieß es im Volksmund „besser ehrlich fliehen, als schändlich sterben“, und es bestand durchaus die Hoffnung, dass die beiden Frauen rechtzeitig ins Schloss zurückgelaufen waren - dennoch plagte den Spielmann das Gewissen. Um Fünfei und Miquel sorgte er sich ebenfalls, und um den Bossu, den sie bei den Pferden zurückgelassen hatten. Im Nachhinein hätte Villaine sich ohrfeigen können, dass er Alix nicht stärker gedrängt hatte, mit dem Trencavel zurück nach Carcassonne zu reiten. Aber, hélas - die Eitelkeit war ein fruchtbarer Acker! Den Helden hatte er vor ihr spielen wollen, bei der Befreiung des Jungen aus dem Kloster.
Plötzlich ertönte ein lauter Knall, ein berstendes Krachen. Villaine verrenkte sich fast den Hals, als er nach der Ursache Ausschau hielt.
„Mein Gott, die Kathedrale hat es erwischt!“, stieß er hervor, den Blick zum Hügel hinauf gerichtet. Irgendetwas hatte den Turm förmlich entzweigerissen!
Grässliche Schreie gellten durch die Stadt., dazwischen scharrende, schleifende Geräusche. Rauchschwaden,
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