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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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die sich bis zu seinem Versteck herüberzogen. Dann Rufe: „Feuer, Feuer! Die Magdalenenkirche brennt!“
    Villaine konnte es nicht fassen. Die Kathedrale geborsten? Die Magdalenenkirche in Brand? Waren die Franzosen gekommen, um katholische Gotteshäuser zu zerstören?
    Die Magdalenenkirche? Der Spielmann überlegte. Vom Brunnen aus hatte man einen weißen Glockenturm sehen können. Vorsichtig versuchte er einen Stellungswechsel, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Rauch kam. Doch sein rechtes Bein war eingeschlafen und das vermaledeite Gatter viel zu eng. Obendrein versuchte der Ganter, den er die ganze Zeit mit der Hand am Hals festhielt, ja fast erwürgte, auf ihn einzuhacken. Weit sperrte er den Schnabel auf.
    Villaine schwitzte. Nicht nur der Gänserich, auch der Durst machte ihm zu schaffen.
    Oben auf der Straße ratterten Karren über das Pflaster. Gelächter!? Plünderer?
    Als die Rauchschwaden immer dichter wurden, der Gestank größer und ... eigenartiger, kroch Villaine die Angst den Rücken hoch. Eines stand fest: Da loderte nicht nur Gebälk - da brannten Menschen! Diesen Geruch kannte er.
    Am ganzen Körper zitternd, weil ihn die Erinnerung übermannte, beschloss er, an Ort und Stelle zu verharren. Wenn er in diesen Zustand geriet, was zum Glück nur noch selten vorkam, konnte er sowieso nicht weiterlaufen ...
    Immer nur traf es die Unschuldigen, wie Matfre, seinen kleinen Bruder, der mit fünf Jahren in der Scheune des Grundherren verbrannt war. Der Alte hatte sich dort mit seiner Magd vergnügt, und ein dummer Teufel von Knecht, eifersüchtig wie nichts, hatte ihm Feuer unter dem Hintern gemacht. Lichterloh brannten das Stroh, das Korn, die Balken - das Kind.
    Unwirsch schüttelte Villaine den Kopf, um die schlimmen Bilder zu vertreiben. Doch schon drangen auch wieder die Schreie der Mutter an sein Ohr.
    Er gab dem Ganter einen Tritt, ließ ihn laufen und hielt sich beide Ohren zu ...
    Als alles vorüber war, damals, hatte sich Villaine auf die Suche nach Matfre gemacht, und ihn dann nach Hause getragen, ihn oder vielmehr das verkohlte ... Etwas, das von ihm übrig war. Diesen Geruch ... nie würde er ihn vergessen, nie! Die Mutter war fast verrückt geworden vor Schmerz.
    Zuhause ... In der alten strohgedeckten Hütte war es so ärmlich zugegangen, dass selbst die Mäuse Mühe gehabt hatten, Nahrung zu finden. Im Winter fraß sich der Frost ins Gebein, im Sommer waren die Stechmücken aus den benachbarten Sümpfen gekommen. Oder marodierende Söldner, die ihnen das letzte Hemd vom Leib stahlen. Kurz nach dem Tod des Bruders - Villaine war damals zehn oder elf Jahre alt gewesen -, hatte er sich als Knecht auf dem Hof einer großen katharischen Familie verdingt. Ein Glücksfall! Weilte der Perfekt zu Gast, was häufig vorkam, lehrte er des Abends das Gesinde Lesen und Schreiben. Irgendwann hatte ihn der „Gute Mann“ mitgenommen, um ihn weiter auszubilden. Doch Villaine hatte den „Glauben an die zwei Welten“ nicht annähernd so faszinierend gefunden wie die Gruppe von Spielleuten, auf die sie eines Tages gestoßen waren ...
    Der Rauch stank widerlich. Villaine hustete, hielt sich nun nicht mehr die Ohren, sondern die Nase zu. Wo kamen die Stimmen her? Da sangen welche ... das Tedeum?

    Dich, Gott, loben wir!
    Dich, Herr, preisen wir!
    Dir, dem ewigen Vater
    huldigt das Erdenrund ...

    Villaine kroch aus dem Gatter, rannte zur Straße hoch. Vorsichtig lugte er um die Ecke. Niemand zu sehen ... Die meisten Leichen waren indes schon zur Seite geschoben, wohl um für die Karren der Plünderer Platz zu machen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße entdeckte er in der Faust eines Toten einen Jagdspieß. Villaine setzte über die rostrote Brühe, die durch die Rinne floss, bückte sich.
    Mit der Waffe in der Hand fühlte er sich besser. Dicht an den Häusern vorbei arbeitete er sich vorwärts, stolperte mehrmals, weil er auf jede Bewegung in der Straße achtete, schlug einmal vollends hin - fiel jedoch weich auf eine tote Frau. In gebückter Haltung, auch weil noch immer vereinzelt Pfeile durch die Luft schwirrten, eilte er weiter, bis er in die Nähe der Kirche mit dem weißen Turm kam. Es musste die Magdalenenkirche sein, denn hier lag die Ursache für den stickigen gelben Qualm, vor dem ihn so ekelte. Noch immer schlugen helle Flammen aus dem Gebäude.
    Auf dem Kirchplatz befanden sich Menschen. Männer und Frauen. Einige liefen wütend auf und ab, andere flehten laut Gott um Gnade

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