Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
sich am Brunnenrand festgeklammert, um schneller in Deckung gehen zu können, als haarscharf an ihrem Kopf eine Saufeder vorbeiflog. Sie traf einen alten Mann, der ihr nun zu Füßen lag, das Gesicht blutüberströmt, denn die Spitze hatte ihm ein Auge ausgestoßen. Da hielt es sie nicht länger. Den Lederbeutel, den sie für ihre Flucht gepackt hatte, eng an sich gepresst, rannte sie los.
„Foutredieu!“, schrien sie wieder, die Wilden, Fackeln an alles haltend, was brennbar war.
Im Zick-Zack versuchte sie, ihnen aus dem Weg zu gehen. Und es gelang. Während einer der Kerle einem Mann den Bauch aufschlitzte, um nach verschluckten Wertgegenständen zu suchen, schlich sie hinter seinem Rücken vorbei. Doch als das breite Tor der Magdalenenkirche bereits in Sichtweite war, wurde auch sie jäh zum Innehalten gezwungen. „König Jean“ kam auf sie zugeritten! In seinem Schlepptau weitere Ribaldis , teils zu Pferd, teils zu Fuß, gute Hundert an der Zahl, mit Fackeln, Lanzen, Schwertern, Speeren, ja, sogar mit Morgensternen bewaffnet.
Alix machte vor Schreck kehrt und eilte, bevor Jean sie entdeckte, zum Brunnen zurück.
Schwer atmend ging sie in die Hocke, um vor Pfeilen, Saufedern und Jeans geilen Blicken geschützt zu sein.
Zum ersten Mal kam ihr ernsthaft der Gedanke, dem Spielmann könnte etwas geschehen sein. Das Herz zog sich ihr zusammen. Nicht Villaine, bat sie. Nicht Villaine. Plötzlich vernahm sie hinter sich ein Geräusch. Im gleichen Augenblick, als sie herumfuhr, um sich zu vergewissern, ob er vielleicht doch gekommen war, packte sie jemand am Zopf. Alix schrie auf. Unsanft riss ihr einer der Ribaldis, ein bärtiger junger Mann, den Kopf nach hinten, und dann spürte sie auch schon ein scharfes Messer am Hals!
„Lass mich los, Elender, ich gehöre zum Gefolge des Königs Jean!“, stieß sie hervor, ohne über ihre Worte nachzudenken – als zukünftige Vizegräfin von Carcassonne hatte man sie in Montpellier auch etwas französisch gelehrt. Sie hatte den Namen des Hurenjägers kaum ausgesprochen, als der Gefürchtete auch schon heranritt.
„He, he, Sire, das verfluchte Weib behauptet, es gehöre zu dir?“
Alix hörte Jean auflachen. „Si, si. Wenn sie das sagt, wird es stimmen.“
Aus den Augenwinkeln heraus, beobachtete sie, wie Jean sich in seinem pomeranzenfarbigen Wams zu ihr hinabbeugte. Seine Krone war mit einem schwarzen Band unterhalb des Kinns festgebunden, was seine dicken Backen noch stärker aufblähte, als sie es von Natur aus schon waren. Plötzlich erkannte er sie. Er quietschte auf vor Freude, während Alix der Angstschweiß übers Gesicht lief.
„ O, quanta mirabilia – aber ja, die Buhlerin ist mein Liebchen! Lass sie los!“, befahl er.
Und zu Alix gewandt: „Ich komme bald zurück, meine Schöne, und bringe dir alle Reichtümer der Stadt! Warte hier auf mich. Und du, Henri“, er stupste den Bärtigen mit seinem Schwert gegen die Brust, „du lässt sie nicht aus den Augen!“
Mit diesen Worten gab er dem Ross die Sporen, so dass es sich wild aufbäumte. Dann ritt er in Richtung Schloss davon. Sein Schwert mähte die Köpfe der Leute ab wie reifes Korn.
Alix kauerte im Staub, zitterte. Ihr war speiübel. Der Schwarzbärtige hatte sie zwar losgelassen, aber er stand hinter ihr. Sie glaubte sogar, seinen Atem zu spüren.
Was sollte sie jetzt tun? Ihn umgarnen? Ihm davonrennen? Am Ende lief sie doch nur Jean in die Hände!
Vorsichtig wanderte ihr Blick über den Platz, auf dem er gewütet hatte. Einer Jagdstrecke gleich lagen die Leichen am Boden. Kaum, dass sich noch jemand regte. Ringsum brannten die Häuser. Der schwarze, stinkende Rauch biss in den Augen, reizte zum Husten, erinnerte an ihre Flucht aus Bartomeus Turm ...
Als Alix einen Blick auf den toten Mann neben ihr warf, erschauerte sie. Es war, als sähe er sie mit seinem unversehrten Auge an. Wollte er ihr etwas sagen? Sie zur Flucht ermuntern?
Nein, besser, sie blieb hier. Nicht immer vorschnell handeln. Lieber an Ort und Stelle verharren. Bald kam Villaine ihr zu Hilfe! Er konnte sie doch nicht im ...
Erneutes Gejohle. Alix hob den Kopf. Eine Handvoll Kreuzfahrer zerrte Menschen aus einem Haus an der Ecke zur Straße „Zum Roten Hut“. Es musste reichen Leuten gehören, denn es besaß doppelte Fensteröffnungen und über dem Eingang konnte man Sparrenköpfe erkennen.
Sie töteten zuerst die Männer und die Kinder. Dann zwangen sie die laut schreienden Frauen zu Boden, schlugen ihnen die Röcke
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