Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Menschheit seien vorüber, die Liebe erkaltet, das Böse auf dem Vormarsch?
Es klopfte an der Tür.
„Ein Unterhändler ist gekommen! Der Vizegraf bittet Euch in die Camera rotunda !“ Aaron selbst stand draußen, um Alix zu holen. Sie erschrak über sein bleiches, abgemagertes Aussehen. In seiner schwarzen Robe ähnelte er einer Vogelscheuche.
Sie steckte das von ihr vorbereitete, gesiegelte Pergament in ihren Beutel, tunkte ein Leintuch in die trübe Brühe im Becken, um sich damit über die Stirn zu fahren und die aufgesprungenen Lippen zu betupfen. Dann kämmte sie sich rasch das Haar. Ihr Herz klopfte und ihre Hände waren schweißnass. Endlich ein Unterhändler! Ja, Raymond, Liebster, es war an der Zeit zu handeln, den Stolz zu vergessen!
Nur für die Kinder im Palatium gab es noch täglich einen halben Krug voll Wasser aus der letzten, streng bewachten Zisterne; alle anderen tranken sauren, nach Schimmel schmeckenden Wein. Damian und der kleine Raymond waren bislang nicht krank geworden. Aber Damian hatte sich verändert. Seit Tagen sprach er nicht mehr, verweigerte selbst das Trullospiel mit Villaine. Alix bereute es längst, ihn nicht bei den Mönchen in Saint-Polycarpe gelassen zu haben. Dort wäre er geborgen gewesen. Weshalb hatte sie ihn überhaupt hierher gebracht, sie hatte doch gewusst, dass sich das Heer nach Carcassonne aufmachte! Alix schüttelte über sich selbst den Kopf.
Im Runden Saal waren nicht nur das Vizegräfliche Paar, der alte Saïssac, die Vögte und Ritter, sondern auch viele Frauen aus Geblüt anwesend, die sich im Palatium in Sicherheit gebracht hatten. Sie saßen auf langen Bänken, die man zu diesem Anlass in den Saal gestellt hatte und sahen alle gleich blass und ungepflegt aus. Einige starrten Alix feindselig an.
Rasch nickte sie Eleonore, Na Loba und Brunissende zu, und setzte sich auf den ihr von Aaron zugewiesenen Platz. Es war brütend heiß und es roch nach Staub und Schweiß.
Alix öffnete ihren Beutel, winkte einen der Pagen herbei, und trug ihm auf, dem Vizegrafen eine wichtige Nachricht zu überbringen.
Als Unterhändler war Peter von Courtenay gekommen, der Graf von Auxerre, ein älterer Ritter aus Frankreich, groß, schlank - und weitläufig mit den Trencavels verwandt, weswegen man ihn wohl für diese Aufgabe ausgesucht hatte. Er war sehr höflich, bescheinigte Raymond-Roger und den Seinen eine tapfere Verteidigung, verlangte jedoch im Namen des Königs von Frankreich die bedingungslose Kapitulation. Auch er schwitzte, denn selbst im großen Saal mit seinen dicken Mauern herrschte Gluthitze.
„Bei einer Fortsetzung der Kämpfe“, sagte er, „droht Eurer Stadt Carcassonne dasselbe Schicksal, das Béziers getroffen hat. Stellt die Kämpfe ein, Vizegraf, und begebt Euch ins Lager der Kreuzfahrer, um zu verhandeln. Ich sichere Euch freies Geleit zu.“
Wie gebannt starrten alle auf Raymond-Roger, der gefasst, ja, irgendwie erleichtert aussah. Er trug seinen neuen blauen Wappenrock und um seine Stirn und das blonde Haar hatte er ein einfaches Lederband gebunden. Alix hatte zuvor beobachtet, wie er zwar ihre Nachricht gelesen, das Schreiben aber dann sorgfältig zerrissen hatte, in kleinste Teile, wohl um es nicht in falsche Hände geraten zu lassen.
Inés, Saïssac und die Cabarets saßen regungslos, ja, mit versteinerten Gesichtern an seiner Seite. Alix gewann den Eindruck, dass sie im engsten Kreis einer Verhandlung mit den Kreuzfahrern bereits zugestimmt hatten.
„Schwört Ihr, dass ich freies Geleit bekomme?“, fragte der Trencavel den Unterhändler, nachdem der Page die Reste der wichtigen Botschaft zum Verbrennen hinausgetragen hatte.
Courtenay schwor es bei Gott dem Allmächtigen.
Als sich der Trencavel verabschiedete und mit einem Gefolge von neunundneunzig Rittern und einer Frau ins Lager der Kreuzfahrer ritt, um dort mit weiteren Parlamentären zu verhandeln, bat man ihn in das Zelt des Grafen von Nevers, in dem die Beratungen der Kreuzzugsführer stattfanden.
Dort beschuldigte man ihn des Pakts mit den Häretikern, sowie, dass er seit fast zwei Wochen der großen Streitmacht der Kirche dreist die Stirn geboten hätte, enthob ihn formell seines Amtes und nahm ihn gefangen.
Seine Begleiter, die man von ihm abgesondert hatte, legten scharfen Protest ein, worauf man einige ebenfalls festnahm. Die anderen schickte man zurück, damit sie die Gefangenschaft des Trencavels melden und die Übergabebedingungen in der Stadt bekannt machen konnten.
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