Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
starrten sie entsetzt an.
Na Loba sprang auf. „Aber Inés, seid nicht töricht! Oder wollt Ihr am Samstag, wenn diese Hunde kommen, wie eine Magd im Hemd und ohne Habe aus der Stadt laufen und zum Gespött der Kreuzfahrer werden?“
„Du weißt ja nicht, wie grausam diese Ribaldis sind!“, flehte auch Alix.
Inés schüttelte nur den Kopf. Ihre Augen brannten. „Ich bin die Herrin von Carcassonne“, gab sie knapp zur Antwort, „niemand kann mich zur Flucht überreden. Dass ich hier ausharre, bin ich Raymond schuldig.“ Auf das herrliche Festgewand mit den bunten Rauten und den goldenen Nähten deutend, das auf ihrem Bett lag, nebst einem Geschmeide und einem Schapel aus Gold und schimmernden Flussperlen, meinte sie: „So angetan – nicht im Hemd! -, werde ich am Samstag auf der Freitreppe stehen, den kleinen Raymond auf dem Arm, um unsere Feinde zu empfangen.“
Erschüttert war Alix zu Villaine gelaufen, der bereits von der bevorstehenden Flucht durch die Gänge wusste. „Meine Schwester ist fest entschlossen, dem Feind gegenüberzutreten. Wisst Ihr, was sie mir, als wir allein waren, mit glühender Leidenschaft erklärte? Die Welt sei der Ort der Austragung alter Sünden und Schulden, doch es würde eine neue Welt geben, eine bessere!“
„Aber das ist Katharer-Lehre!“
„Das hielt ich ihr auch entgegen, Villaine. Sie gab mir zu Antwort, nachdem ihr die ´römischen Wölfe`, wie sie sich ausdrückte, Raymond-Roger genommen hätten, könne sie nicht länger Katholikin sein. Das hätte sie auch bereits Pater Octave erklärt.“
„Eure Schwester ist tatsächlich konvertiert?“
„Ach“, Alix machte eine wegwerfende Handgebärde, “ich glaube es nicht. Wie kann ein Mensch über Nacht ein anderer werden? Peter von Cabaret steckt dahinter, der ihr angeblich Tapferkeit ins Herz gepflanzt hat, wie sie offen zugibt. Er ist Katharer. Sie steht wohl seit einiger Zeit unter seinem Einfluss. Bereits im Saal, als sie vor allen Leuten das Se Canta anstimmte, wusste ich, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte! Das war nicht mehr die Inés, die ich kannte ... Nun, mein Entschluss steht fest, Villaine, ich bleibe bei ihr. Ich kann sie nicht im Stich lassen, in ihrem Zustand.“
Keine Angst“, fuhr sie fort, als sie Villaines erschrockenes Gesicht sah. „Die Franzosen werden uns und unseren Söhnen nichts antun. Inés hat recht: Wir sind von edlem Geblüt und Töchter Wilhelms von Montpellier. Nicht von ungefähr hat man unseren Vater einen Schutzschild des Glaubens genannt! Versteht doch, mein Freund, ich darf Inés nicht allein lassen in der schwersten Stunde ihres Lebens.“
„Und da verlangt Ihr von mir, Euch im Stich zu lassen?“
„Aber, nein, bringt Euch in Sicherheit! Damian und mir wird nichts geschehen!“
„Sagt das nicht, Alix - wenn der Wind bläst, fährt er in jede Ecke. Sowohl Amaury als auch Montfort wähnen Euch längst in Aragón. Sie werden in Wut geraten bei Eurem Anblick. Oder wollt ihr am Ende wie alle anderen im Hemd aus der Stadt laufen?“
„Was wäre verkehrt? Esther, wenn sie noch lebte, würde das auch sagen. Was unterscheidet uns denn vom Pöbel, Villaine, den Bürgern, den Bauern, Müllern, Schäfern, Krämern oder auch Spielleuten, wenn wir im Hemd sind? Nichts, gar nichts ...“
Alix hatte ganz rote Wangen bekommen, wie immer, wenn sie vor allem sich selbst zu überzeugen gedachte. Sie atmete schnell. „Auch die Minne macht die Menschen gleich“, setzte sie hinzu, wohl wissend, dass Villaine auf solche Töne ansprach. „Ich will Euch etwas erzählen. In meiner ersten Nacht hier in Carcassonne träumte ich von einem störrischen Esel mit riesigen goldenen Ohren. Er warf mich ab. Im Volksmund heißt es: ´Fällt einer vom Esel, wird er alsbald bettelarm werden`. Das stimmt.“
„Bettelarm? Was wollt Ihr mir eigentlich sagen, Alix?“
„Nun, es ist ja nur ein Bild. Der Esel mit den goldenen Ohren ist Carcassonne. Diese Stadt wollte mich nie haben. Aber deswegen schleiche ich mich noch lange nicht feige in der Nacht davon. Mein Entschluss steht fest: Ich bleibe an der Seite meiner Schwester, bis ich mich versichert habe, dass die Kreuzfahrer sie mit Respekt behandeln. Wenn es Euch beruhigt, Villaine, dann eben unerkannt, im Hemd sozusagen, als ihre Magd. Danach mische ich mich unters Volk und laufe mit Damian ´bettelarm` zu den Toren hinaus.“
„Dann bin ich an Eurer Seite“, hatte der Spielmann gesagt, und keinen Widerspruch zugelassen.
Draußen schrie
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