Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Kürze „Herrin von Cahors“ würde. „Die Herrin der reichen Stadt Cahors!“, hatte sie betont. Alles hätte seine Richtigkeit. ... Doch weshalb verriegelte man dann die Tür hinter Alix, und ließ sie - ihre Dame - hier in diesem Loch hausen?
Estrella flog die Hitze an. Sie glaubte, gleich ersticken zu müssen. Sie lief zum Fenster und stieß die Läden weit auf. Die Dächer der Stadt lagen im gleißenden Sonnenlicht. Ein gutes Dutzend beladene Ochsenkarren rumpelte über die Brücke, gefolgt von einer Schafherde. Das Blöken drang bis zu ihr herauf.
„Ich wette, dass der Drache sie heute Nacht holt“, hörte sie Mathilde hinter ihrem Rücken sagen.
Der Drache?
Die andere Frau, Olive hieß sie, lachte. Sie war dunkelhaarig und eigentlich recht hübsch, vielleicht bis auf die großen Nasenlöcher und die raue Stimme, die sie besaß. Merkwürdig war ihr kurzes, völlig zerrupftes Haar. Man hatte es ihr wohl abgeschnitten, vermutlich weil sie den grindigen Ausschlag besaß oder der Läuse nicht mehr Herr geworden war. Kein Wunder bei dem Dreck überall. Sofort befürchtete Estrella auch das Schlimmste für sich. Sie fuhr mit der Hand unter den Schleier und kratzte sich ausgiebig am Kopf. Dabei drehte sie sich unauffällig ein Stück zur Seite, um zu hören, was die Frauen weiter miteinander redeten.
„Die?“ Olive deutete auf das Lager der Schwangeren. „Mit ihrem dicken Bauch kommt sie doch gar nicht mehr die Treppe hinunter! Nein, nein, Mathilde, der Drache wartet, bis das Balg geboren ist.“
„Aber vielleicht holt er ja mich, hach!“ India, die Dickste im Raum, neben der bleichen Petronilla auf der Bank sitzend, die Beine hochgelegt, kicherte und streckte Olive die Zunge heraus.
„Uns holt keiner mehr“, sagte Mathilde hämisch. „Seht euch doch hier um, wir sind allesamt im „Abtritt des Drachen“ angekommen.“
Estrella zog die Stirn in Falten. Wieso redeten diese Weiber ständig von einem Drachen?
Sie drehte sich vollends um. „Was faselt ihr dummen Frauen da Ungereimtes? Ein Drache? Wen meint ihr damit? Dieses steinerne Untier, das sich oberhalb der Eingangstür der Burg befindet? Das einen Ritter verschlingt? Oder meint ihr den Ehemann der Kleinen? Wo steckt er eigentlich? Handelt es sich um einen der Knechte?“
Die vier Frauen sahen sich verdutzt an. Dann begannen sie zu grölen. „Ehemann! Eeehemann!“, Mathilde japste regelrecht nach Luft. „Was glaubst du denn, wo du hier bist, Frau Nasehoch und Immerklug?“
„Na, doch wohl nicht in einem Freudenhaus“, antwortete Estrella von oben herab, wie es ihre kastilische Art war. Sie achtete sehr darauf, sich in jeder Lage gewählt auszudrücken.
„In einem Freudenhaus!“ Wieder kreischten die Frauen ausgelassen und Mathilde machte eine obszöne Handbewegung, worauf sich Olive rittlings auf ihren Schoss setzte und die beiden so taten, als kopulierten sie. Petronilla stand auf und zog India hoch. Die Hände breit in die Hüften gestützt, lachten sie sich fast schief, während die Schwangere mit geschlossenen Augen und angewidertem Gesicht den Kopf zur Wand drehte.
Estrella hielt den Atem an: Ogottogottogott! Wo war sie hier nur hingeraten? „So hört doch endlich mit der Sittenlosigkeit auf!“, fauchte sie. „Ein Drache? Beim Seligen Isidor von Sevilla, wer sollte das denn sein? Und warum schreitet der Erzbischof nicht ein, wenn in seinem Palast ein blutjunges Mädchen ohne Ehemann ein Kind bekommt?“
Augenblicklich herrschte Stille im Raum. India und Petronilla sahen sich betroffen an. Mathilde hielt noch immer Olive umklammert, doch diese saß jetzt stocksteif auf ihrem Schoß.
„So redet endlich! Wer ist der Drache?“, forderte Estrella die Frauen auf.
„Sag mal, Frau Vornehm, woher kommst du eigentlich?“, fragte Mathilde nach einer Weile. „Du bist doch nicht von hier, oder? Hat dich der Drache zu uns geschickt, um uns auszuhorchen?“
Die Tränen, die ihr vor Lachen über die Wangen gelaufen waren, hatten die Schminke aufgeweicht, so dass Mathilde aussah wie eine geraufte Eule.
„Aber nein, so beruhigt euch, niemand hat mich geschickt“, antwortete Estrella. „Mein Name ist Estrella und ich sorge mich um meine Schutzbefohlene, Alix von Montpellier, deren Begleiterin ich bin. Sie bewohnt das Magdalenengemach, oben unter dem Dach. Und wenn es in diesem Haus jemanden gibt, der sich wie ein Drache gebärdet, und sich an junge Frauen heranmacht und sie schändet, so sollte ich das wissen, damit ich meine
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